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Heyne Galaxy 07

Heyne Galaxy 07

Titel: Heyne Galaxy 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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weiße Mütze auf den dunklen Locken tragen. Aber sonst trug sie nichts. Nicht einmal Schuhe.
    Die während der Reise Geborenen hatten ihren Eltern immer gehorcht und sich an die Gebete gehalten, die ihnen beigebracht worden waren. Wenn sie rebellierten, so geschah das auf ganz andere Art und Weise.
    Tina wäre rot vor Scham geworden, wenn sie jemand nackt überrascht hätte. Sie war gut erzogen und von Natur aus sehr zurückhaltend. Aber jeder, der Hosen oder einen Rock trug, galt auf der GOOD HOPE als angezogen. Das Tragen weiterer Kleidungsstücke war bei den an Bord herrschenden Temperaturen nicht notwendig.
    »Wer rottet sich zusammen? Droht eine Schlägerei?« fragte Wingate.
    »Noch schlimmer.« Sie schüttelte den Kopf, als fehlten ihr die Worte, die Geschehnisse zu beschreiben. »Es ist grausam und fürchterlich.«
    »Wer hat damit angefangen?«
    »Eigentlich niemand. Es begann plötzlich. Links gegen rechts.«
    Links und rechts hatte nichts mit Politik zu tun. Die Passagierkabinen waren eben rechts und links des Hauptkorridors; niemand konnte in der Mitte wohnen.
    Rudd dachte weniger an den Kampf, der zwischen der linken und rechten Seite des Korridors ausgebrochen war, als an Tina. Sie war hier, und offensichtlich war sie unverletzt. Er dachte nur daran, wie sehr sich Sitten und Gebräuche in einem Schiff ändern konnten, wenn es nur lange genug unterwegs war.
    »Ich werde mich darum kümmern«, sagte Wingate.
    »Warten Sie«, meinte Rudd ganz ruhig. »Ich würde es an Ihrer Stelle nicht tun. Irgendwie muß sich die Spannung entladen, und warum sollen wir uns einmischen?«
    »Das verstehe ich nicht. Sie schlagen sich, und Avir sollen es dabei bewenden lassen?«
    Auch Tina starrte ihren Onkel verwundert an. Er wollte, daß man sich nicht darum kümmerte? Dabei gab es klare und unmißverständliche Gesetze, die das Leben in der GOOD HOPE regelten. Schnelle Gerichtsbarkeit und Bestrafung, nicht aus Rache, sondern um ähnliche Vorkommnisse zu verhindern.
    »Wir alle sind gereizt«, sagte Rudd. »Man muß Dampf ablassen, damit der Kessel nicht explodiert. Lassen wir sie doch.«
    »Sie schlagen Nevil Smith«, erklärte Tina. »Ich habe Männer gesehen, die Jenny Holland traten. Überall ist Blut. Es sind fast fünfzig Leute, die sich in den Haaren liegen, alte und junge.«
    Rudd nickte.
    »Ganz in Ordnung so. Nachher werden sich alle besser fühlen.«
    Wingate stieß ein unwilliges Grunzen aus und eilte an Tina vorbei in den Korridor. Aber Tina lief ihm nach und überholte ihn. Kopfschüttelnd folgte Rudd.
    Die Messe sah aus wie ein Schlachtfeld. Alle Möbel waren beiseite gerückt oder umgeworfen. In Gruppen auf geteilt kämpften die Beteiligten gegeneinander, Männer und Frauen jeden Alters. Die Älteren hatten einen leichten Vorteil – sie trugen Schuhe. Und sie benutzten sie, um die auf dem Boden liegenden in die Rippen, in den Bauch oder gar ins Gesicht zu treten.
    Zerbrochene Stühle und Lampen dienten als Waffen. Ein fünfzehnjähriger Junge stieß wie wild mit einer Schere um sich. Der Lärm war unbeschreiblich, und an manchen Stellen floß reichlich Blut. Es war ein Anblick, wie es ihn an Bord der GOOD HOPE noch niemals gegeben hatte.
    Und dann gab es für eine Sekunde ein anderes Geräusch, das noch nie jemand im Schiff gehört hatte. Es war ein trommelfellzerreißendes und explosionsartiges Geräusch. Es war ein Schuß.
    Danach herrschte Totenstille.
    Rudd warf Wingate einen bewundernden Blick zu. Woher mochte Jim so plötzlich die Waffe haben? Seit siebenundvierzig Jahren waren alle Waffen verschlossen gewesen. Auch die Revolver.
    Immerhin beendete der eine Schuß den Kampf. Nur zwei oder drei der Anwesenden hatten jemals in ihrem Leben den Knall eines Revolvers vernommen. Sie alle sahen den Captain an, der in der Tür stand, in der Hand die noch rauchende Waffe. In der gegenüberliegenden Wand der Messe war ein kleines Loch in der Wand.
    Wingate sagte nichts.
    Auch Tina und Rudd schwiegen abwartend.
    Die am Boden Liegenden erhoben sich, rückten die Kleidung zurecht und betasteten ihre Verwundungen. Nur zwei standen nicht mehr auf.
    Nevil Smith und Jenny Holland waren es, die liegenblieben. Sie waren beide tot. Jenny war leicht zu identifizieren, denn sie trug Schuhe und grüne Shorts. Ihr Gesicht allerdings war nicht mehr zu erkennen. Jemand hatte es bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen.
    »Wer ist das gewesen?« fragte Wingate kalt.
    Der Irrsinn war vergangen. Schockiert und über sich selbst

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