Heyne Galaxy 12
fernschriftlich unterrichtet wurde, daß der Verkauf einer Beteiligung mit einigem Glück noch zu drei Shilling pro Aktie geklappt hatte, nachdem der Kurs der gleichen Aktien am Vorabend noch neuneinhalb Shilling gewesen war, zögerte er keinen Augenblick. Mit der nächsten VC-10 verließ er das Hauptquartier seines finanziellen Imperiums auf den Bahamas.
Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sein Kommen durch ein Telegramm anzukündigen, doch der untersetzte Börsenfachmann war nicht sonderlich überrascht, als noch am gleichen Abend ein riesiger Rolls-Royce vor seinem repräsentativen Haus hielt. Er bat seine Frau, für die anwesenden Gäste allein zu sorgen, ihm das Essen warmzustellen und ihn vor allen Dingen nicht zu stören. Dann begrüßte er Grey in der Bibliothek.
Grey war klein und blond und machte einen energischen und zielbewußten Eindruck. Er ließ sich in den bequemsten Sessel fallen, wählte das vollere der beiden Gläser, die Casson eingeschenkt hatte, und fragte: »Was in Teufels Namen ist mit Lupton & White passiert?«
Für Casson kam diese Frage nicht unerwartet, doch wie gewöhnlich hatte ihm die Weite des Atlantiks zwischen ihm und seinem Auftraggeber ein übertriebenes Gefühl des Vertrauens in seine Fähigkeit gegeben, mit Grey fertig zu werden, auch wenn dieser schlecht gelaunt war. Nervös fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen und sagte entschuldigend: »Die Kurse rutschen noch weiter ab. Kurz vor Notierungsschluß standen sie etwa bei eineinhalb Shilling, und morgen wird man sie überhaupt nicht mehr los. Unter diesen Umständen hielt ich es für zweckmäßig…«
»Was ist passiert?« fragte Grey. »Und geben Sie mir noch ein Glas von dem Zeug, das man Ihnen als Sherry verkauft hat.«
Casson gehorchte seufzend. Den ganzen Tag über hatte er an der Erklärung gefeilt, die er seinem Chef geben wollte, und er war sicher, daß er eine eindrucksvolle Geschichte parat hatte – das erste erstaunte Aufmerken, die schnelle Reaktion, die einen hundertprozentigen Verlust verhinderte, das diskrete Aushorchen wichtiger Leute, schließlich die bedeutsame Entdeckung …
Aber das hatte alles keinen Sinn. Wenn er jetzt Ausflüchte machte, setzte ihn Grey wahrscheinlich sofort an die Luft.
Er stellte das neugefüllte Glas ab und holte etwas aus der Brusttasche seines fleckenlosen Abendjacketts.
»Das ist passiert«, sagte er und hielt seinem Gast ein gefaltetes Stück Papier entgegen.
»Wirtschaftsbericht Fünf«, las Grey. »Was hat das mit unserem Problem zu tun?«
»Lesen Sie alles«, erwiderte Casson und hob die Schultern. »Dann wissen Sie genausoviel wie ich und meine Informanten.«
Grey runzelte die Stirn, doch er vertiefte sich widerspruchslos in den Text. Der Makler hatte ihm ein einfaches Stück Papier in die Hand gedrückt. Den Text hatte man im Foto-Offset-Verfahren von einem mit der Schreibmaschine geschriebenen Original vervielfältigt – von einem schlecht gestalteten Original mit ungleichmäßiger Randeinstellung, zahlreichen Tippfehlern und zwei oder drei durchstrichenen Zeilen. Sogar die schwarzen Letraset-Buchstaben der Titelseite standen wild durcheinander, und der Querbalken des ›F‹ in ›Fünf‹ war nur undeutlich zu sehen.
Der Text war, wie Grey auf den ersten Blick feststellte, in zehn oder zwölf kurze Absätze unterteilt, die jeweils mit dem Namen einer Gesellschaft begannen. Die meisten Firmen waren ihm bekannt. Ärgerlich und mit wachsender Verwunderung studierte er das Blatt.
»Dale, Dockery & Petronelli GmbH, Eiskremhersteller. In den letzten sechs Monaten litten 3.021 Kinder, die die Produkte der obigen Firma genossen hatten, an mehr oder weniger problematischen Magenbeschwerden.
Internationale Tabak-Gesellschaft mit den Zigarettenmarken ›Prestige‹, ›Chilimenth‹ und ›Cachet‹. 14.186 der im letzten Jahr diagnostizierten Lungenkrebs-Fälle wurden an Rauchern dieser Zigarettenmarken festgestellt.
Wissenschaftlich Garantierter Schutz GmbH., Gummiwaren. 20.512 unerwünschte Schwangerschaften wurden im letzten Jahr festgestellt, nachdem sich die Eltern ausschließlich auf die Produkte der obigen Firma verlassen hatten.«
Und dann kam der Absatz, der ihn besonders interessierte. »Lupton & White GmbH., Hersteller von Küchengeräten. Im Berichtszeitraum verloren 1.227Personen bei der Bedienung von Brot- und Wurstschneidemaschinen dieser Gesellschaft einen oder mehrere Finger.«
Grey stöhnte auf und erschauerte bei dem Gedanken an eine Hand,
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