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Heyne Galaxy 12

Heyne Galaxy 12

Titel: Heyne Galaxy 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Kurse so schnell abrutschten …«
    »Da haben Sie sich auf die guten alten Schulregeln verlassen, anstatt ein wenig phantasievoll zu denken. Machen Sie sich nichts daraus. Wenn wir Glück haben, kommen wir mit heiler Haut aus der Sache heraus. Aber Sie werden sich anstrengen müssen, Casson, mein Junge!«
    »Nennen Sie mich nicht so!« schnappte Casson.
    »Warum nicht?« sagte Grey ruhig. »Wenn Sie sich benehmen, als wären Sie zehn Jahre jünger als ich, bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie für einen unerfahrenen Jungen zu halten. Halten Sie lieber den Mund – ich habe keine Lust, mich ewig in diesem kalten und feuchten Land aufzuhalten. Sie werden Ihren Fehler wiedergutmachen müssen, und dazu werden Sie mir die Person ausfindig machen, die diesen Wirtschaftsbericht herausgibt.« Und er deutete auf das Stück Papier, das jetzt auf dem Tisch lag. »Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Bursche da Phantasie hat – und die möchte ich gern für mich ausnutzen. Man soll mir nicht nachsagen, daß ich eine gute Idee nicht anerkenne.«
    Er erhob sich und ging zur Tür. »Sie haben Zeit, bis die nächste Ausgabe herauskommt, Casson, mein Junge.« Und er wandte sich noch einmal um. »Wenn Sie es nicht schaffen, sind Sie erledigt. Wiedersehen.«
     
     
    2
     
    Je intensiver Grey über die Wirtschaftsberichte nachdachte, desto mehr beeindruckte ihn die geniale Einfachheit der Idee. Der Unbekannte mußte innerhalb weniger Monate soviel Vertrauen erworben haben, um neben Casson auch Cassons anonymen Freund und zumindest einige Dutzend andere Leute zu überzeugen, die wesentliche Beteiligungen an Lupton & White gehalten hatten – denn anders wäre der Kursverfall nicht so schnell und so nachhaltig erfolgt. Das deutete auf ein außerordentliches Talent hin, die Leichtgläubigkeit anderer Menschen auszunutzen. Es gehörte zu Greys Lebensregeln anzunehmen, daß der überwiegende Teil der Weltbevölkerung aus Idioten bestand, und die Tatsache, daß ein anderer offenbar zu der gleichen Schlußfolgerung gekommen war und nun daraus seinen Nutzen zog, reichte aus, um ihm diese Person interessant zu machen. Der Mann konnte ihm nützlich werden.
    Täglich erreichten ihn weitere Informationen von Casson, die das Bild des geheimnisvollen Drahtziehers nach und nach abrundeten. Grey begann ihn bald als das moderne Gegenstück eines Zigeuner-Weissagers anzusehen, nicht nur, weil er das Körnchen Wahrheit seiner Botschaft stets in einem Nebel sorgsam zusammengestellter Ungereimtheiten verbarg, denen er durch seine unglaublichen Statistiken den Schein der Wahrscheinlichkeit verlieh, sondern weil ihm auch von Anfang an eine geradezu geniale Irreführung seiner Leser gelungen war.
    Wenn er seine Wirtschaftsberichte sorgfältig gestaltet und womöglich auf Glanzpapier gedruckt hätte, hätten ihn die Leser sofort mit einer der zahlreichen Agenturen für Marktinformationen identifiziert und nicht weiter beachtet. Statt dessen nahm er das Risiko auf sich, daß sein Material als das Produkt eines unfähigen Amateurs abgetan wurde, und verließ sich auf sein Glück. Einige Leute würden sich bestimmt an diese oder jene Vorhersage erinnern, wenn das angekündigte Ereignis eintrat. Cassons Freund hatte sich die Konservenfabrik eingeprägt – andere ›Klienten‹ waren bestimmt durch die Affäre mit dem vergifteten Spielzeug aufmerksam geworden. Wenn dann der nächste Wirtschaftsbericht eintraf…
    »Ausgezeichnet!« sagte Grey laut und fügte hinzu: »Ich brauche den Mann! Wieso vergeudet Casson so viel Zeit?«
    Denn obwohl ihm täglich weitere Informationen zuflössen, ergab das Ganze kein brauchbares Bild. Es waren andere Leute ausfindig gemacht worden, die die geheimnisvollen Berichte erhielten – doch auch hier blieb der Absender anonym, auch hier kamen die Berichte in einfachen, weißen Umschlägen mit wechselnden Poststempeln. Die Empfänger waren offensichtlich bewußt ausgewählt – es handelte sich bei ihnen beispielsweise um Männer, die das Investment-Programm großer Versicherungsgesellschaften und Anlage-Fonds ausarbeiten mußten oder um wichtige Leute des Aktienmarktes – kurz, um bedeutende Persönlichkeiten der Finanzwelt. Aber daneben wurden auch Männer der gewerblichen Wirtschaft beliefert – Einkäufer für Warenhausketten, leitende Angestellte großer Autozubehörfirmen, Vertriebsdirektoren der verschiedensten Branchen, Exportfachleute zahlreicher Konzerne, die in jedem Jahr Wirtschaftsgüter im Werte von sieben

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