Heyne Galaxy 12
Millionen Pfund umschlugen.
Sie alle waren mit der Finanzwelt so eng verbunden, daß sie die Genauigkeit der in den Wirtschaftsberichten ausgesprochenen Warnungen schnell erkannten, und sie begannen die schäbigen kleinen Bogen, die ihnen von unbekannter Seite zugestellt wurden, sehr bald ernst zu nehmen.
Bei der Beobachtung der Gesellschaften, die im ›Wirtschaftsbericht Fünf‹ aufgeführt waren, vermochte Grey bald erste Anzeichen für das festzustellen, was Lupton & White zugestoßen war. Zum Beispiel war die Kursentwicklung der Internationalen-Tabak-Gesellschaft jetzt ganz deutlich nach unten gerichtet; eine andere Gesellschaft nahm ebenfalls eine sichtbar negative Börsenentwicklung, während bei einer dritten Firma seit längerer Zeit geführte Übernahmegespräche urplötzlich abgebrochen wurden.
Aus einer Laune heraus rief er Casson an, erfuhr jedoch wenig Neues. Die Umschläge, in denen die Berichte verschickt wurden, waren praktisch in jedem Schreibwarenladen des Landes erhältlich; das verwendete Papier stammte aus der größten Papierfabrik Großbritanniens, und die benutzte Schreibmaschine war ein älteres Modell, von dem jedoch noch mehrere tausend in Gebrauch sein konnten. Bei dem Schwall von Entschuldigungen, der ihm aus dem Hörer entgegendrang, verlor Grey schnell die Geduld.
»Sie haben noch eine Woche!« schnappte er. »Wenn ich dann nicht auf der Versandliste für Nummer Sechs stehe, bin ich mit Ihnen fertig – ist das klar?«
Casson schwieg einen Augenblick, dann räusperte er sich und sagte: »Mir ist eine Maßnahme eingefallen, die … die Sie vielleicht treffen könnten, Sir. Allerdings fällt mir der Vorschlag nicht leicht…«
»Los, reden Sie schon!«
»Vielleicht könnten Sie … äh … eine Anzeige aufgeben – etwa in der Financial Times. Ich bin sicher, daß der … äh … Herausgeber der Wirtschaftsberichte die Finanzpresse sehr sorgfältig studiert.«
Grey öffnete den Mund, um diesen Vorschlag als lächerlich abzutun – doch im letzten Augenblick änderte er seine Meinung. Im Grunde deuteten die von Casson herausgestellten Tatsachen – zum Beispiel die Anonymität des Materials, das bei der Herstellung der Berichte verwendet wurde – darauf hin, daß sich der Schleier des Geheimnisses um den Herausgeber vermutlich nicht leicht lüften ließ. Andererseits hatte er es sich in den Kopf gesetzt, diesen Mann ausfindig zu machen, und dieser Wunsch wurde fast schon zur fixen Idee. Von Zeit zu Zeit verfiel er in Spekulationen über die Möglichkeit, den Ruf des Wirtschaftsberichtes für seine eigenen Zwecke auszunutzen, wobei er den Börsenpreis interessanter Gesellschaften nach Belieben herabdrücken konnte, bis sie ihn als Partner oder Geldgeber akzeptieren. Dann konnte er sie umorganisieren und unter einem neuen Namen wieder auf den Markt führen – beflügelt von der »Zauberkraft« des Namens Mervyn Grey, wie er es gern umschrieb.
Aber er war andererseits zu ungeduldig, um die Idee einfach nachzuahmen und ein eigenes Nachrichtenblatt herauszugeben. Er hielt es für besser, den Fundus des Vertrauens – oder besser: der Leichtgläubigkeit – auszunutzen, den sich die bestehende Publikation bereits geschaffen hatte. Er mußte also an die Versandliste heran!
Casson sagte: »Ich würde vorschlagen, daß wir einige anonyme Anzeigen vielleicht auch in anderen Zeitungen erscheinen lassen – zum Beispiel im …«
»Anonyme Anzeigen?« unterbrach ihn Grey. »Um Himmels willen! Wollen Sie den guten Eindruck, den Sie mit Ihren gelegentlichen brauchbaren Einfällen machen, unbedingt sofort wieder verwischen? Warum anonym? Wenn das Interesse Mervyn Greys an den Wirtschaftsberichten bekannt ist, wird dem Unbekannten genau die Publicity zuteil, die er sich wünscht. Auf diese Weise treibe ich ihm wahrscheinlich auch die letzten Skeptiker ins Netz
– und damit arbeite ich in seinem Interesse. Lassen Sie die Anzeigen sofort einrücken!«
3
Sechs Tage später erreichte ihn mit der Morgenpost ein gewöhnlicher Luftpostumschlag, der an ›Mr. Mervyn Grey, Mervyn-Grey-Konzern, Grand-Bahama-Inseln‹ adressiert war, und der ein einfaches Stück Papier mit einer kurzen Nachricht enthielt:
Ich höre, daß Sie an der nächsten Ausgabe meines Wirtschaftsberichtes interessiert sind, was ich begrüße. Es wird mir eine Freude sein. Ihnen Ihr Exemplar persönlich zu überreichen. Ich würde allerdings gern davon ausgehen, daß Sie mir zu diesem Zweck einen
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