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Hibiskussommer

Titel: Hibiskussommer
Autoren: Alyson Noël , Tanja Ohlsen
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müssen. Als ich hineinschlüpfte, war es drinnen so dunkel und vernebelt von Weihrauch, dass ich eine Weile brauchte, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten. Ich sah zwar Tally und Tassos gleich irgendwo in der Mitte, aber ich blieb lieber weiter hinten, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen.
    Ich lehnte mich an die Rückwand und hörte den Priestern in ihren langen, verzierten Roben zu, die eine endlose Reihe unverständlich klingender Worte intonierten, während ich die Trauergemeinde betrachtete und Petros’ Sohn Stavros entdeckte, der sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl ihn die Trauer ganz offensichtlich fast überwältigte, und den Arm um eine kleine, blasse, zitternde Frau legte, die wohl seine Mutter sein musste. Und als ich den Mann aus der Bank gesehen und dem Mann vom Gyrosstand zugenickt und ein paar der anderen Leute erkannt und begrüßt hatte, stellte ich fest, dass ich, sosehr ich mich auch dagegen gewehrt hatte, irgendwie ein Teil dieser Gemeinschaft geworden war.
    Dann erstarrte ich. Im Ernst, ich konnte nicht mal blinzeln, atmen oder mich bewegen, als ich Yannis neben Maria stehen sah. Aber das dauerte nur eine Sekunde. Denn auch wenn es meinem Magen unglaubliche Schmerzen verursachte, sie so zusammen zu sehen, zwang ich mich, woandershin zu sehen, denn schließlich war ich Petros zuliebe hier und nicht, um meine lange Liste von Fehlern zu betrachten.
    Nach der Zeremonie verließen alle die Kirche, um zum Friedhof zu gehen, und ich wartete an der Tür auf Tally und Tassos, als Yannis zu mir kam und flüsterte: »Gehen wir ein Stück.« Es war keine Frage und auch nicht direkt ein Befehl, vielleicht eher ein Vorschlag.
    Also kam ich mit. Wir gingen hinaus und ich lief neben ihm, und keiner von uns sagte ein Wort, sondern wir folgten nur den anderen Leuten, bis er nach meiner Hand griff, mich an eine Wand zog und wartete, bis alle vorbei waren und wir allein zurückblieben.
    Dann sah er mich an und fragte: »Geht es dir gut?«
    Er sah mir in die Augen, und in seinem Blick lagen solche Wärme, solche Fürsorge und Herzlichkeit, dass ich nicht anders konnte. Ich lachte laut heraus.
    Nicht, weil ich es lustig fand oder so, da es unter den gegebenen Umständen eine völlig normale Frage war (ganz im Gegensatz zu meiner Reaktion, die alles andere als normal war). Aber nachdem ich Tallys kleine Rede am Strand gehört hatte, kam mir das alles auf einmal sehr lustig vor. Denn bis er mich danach gefragt hatte, war mir gar nicht klar gewesen, dass es mir tatsächlich gut ging. Dass es mir im Grunde genommen immer gut gegangen war. Dass es mir, Colby Catherine Cavendish, obwohl ich noch immer wirklich traurig war wegen Petros und mir immer noch wirklich Sorgen um meine Zukunft machte und immer noch stinksauer auf meine Eltern war und mir wahrscheinlich immer noch die falschen Freunde aussuchte, gut ging. Und es war ziemlich sicher davon auszugehen, dass das auch so bleiben würde.
    Mit ein wenig Anstrengung konnte ich die meisten meiner Fehler wiedergutmachen. Und der Rest? Nun, damit musste ich einfach fertig werden. Und aus irgendeinem Grund, den ich wirklich nicht erklären kann, hatte ich auf einmal das Gefühl, lachen zu müssen, obwohl das sicher NICHT die Antwort war, die er erwartet hatte (und auch kein angemessenes Benehmen für jemanden, der gerade von einer Beerdigung kam). Aber ich schätze, es tat einfach gut, wieder zu lachen. Das letzte Mal hatte schon viel zu lange zurückgelegen.
    Und wie das mit Lachen nun mal so ist, dauerte es nicht lange, bis Yannis mit einstimmte, auch wenn es offensichtlich war, dass es bei ihm ein eher zögerndes, verwirrtes Lachen war, weil er nicht genau wusste, warum er lachte, und sich wohl dachte, was soll’s.
    Als ich mich schließlich beruhigt hatte, sah ich ihm in die Augen und sagte: »Oh mein Gott, du bist Anonymus, stimmt’s?« Obwohl ich es bis genau in diesem Augenblick nicht begriffen hatte.
    Er nickte.
    Also fuhr ich fort: »Und deshalb hast du mit mir Schluss gemacht, weil du von meinem Ausflug nach Mykonos gelesen hast.« Er nickte wieder, und ich konnte nicht fassen, dass ich so lange gebraucht hatte, um es herauszufinden. Ich hatte zwar immer noch keine Ahnung, wie er überhaupt auf meinen Blog gekommen war, da ich ihm nie davon erzählt hatte, aber ich wusste auch, dass das keine Rolle spielte. Was eine Rolle spielte, war, dass ich ihn verletzt hatte. Also sah ich ihn an und sagte: »Es tut mir leid.« Und da mir
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