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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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erfreut. »Wo haben wir aufgehört?«, fragte er und blätterte in den Seiten.
    »Bei der Beerdigung deines Dads«, sagte Beth.
    »O Mann«, sagte er, »ich glaube, das war der Tag, an dem Mutter anfing, zwei und zwei zusammenzuzählen. Ich hatte schon vorher damit angefangen, jedenfalls war mir schon länger klar, dass irgendwas Fieses im Busch war, aber richtig begriffen habe ich es erst Jahre später. Ich liebte meinen Dad, und deshalb wollte ich es nicht begreifen. Ich habe immer noch das kleine Jagdmesser, das er mir mal geschenkt hat, und ich würde es für nichts in der Welt hergeben«, sagte er.
    Er schwieg, stand auf, um das Messer zu holen, fand es, zeigte es Beth und verstaute es wieder sorgfältig in der obersten Schublade.
    »Wir waren also alle da und marschierten im Gänsemarsch aus der Kirche zu den Autos, um zum Friedhof zu fahren, und ich hielt Mutters Arm, als auf einmal eine Dame ruft: ›Mrs. Forkenbrock! Oh, Mrs. Forkenbrock!‹ Mutter dreht sich um, und da sehen wir eine dicke, fette Dame in Schwarz mit einem verwelkten Fliederzweig an ihrem Mantel auf uns zustürmen«, sagte er.
    »Aber sie segelt einfach an uns vorbei und geht zu einer dünnen, hausbackenen Frau mit einem Jungen in meinem Alter, der sie kondoliert. Und dann sieht sie den Jungen an und sagt: ›Ach, Ray, von jetzt an musst du der Mann im Haus sein und deiner Mutter helfen, so gut du kannst!‹«, sagte er. Er schwieg und schenkte sich einen Whiskey ein.
    »Darüber solltest du nachdenken, Beth«, sagte er. »Du hast es doch so mit dem Familiensinn. Und jetzt stell dir vor, dass du mit Mutter und Schwestern auf der Beerdigung deines Vaters bist, und jemand ruft nach deiner Mutter und geht dann auf eine Fremde zu. Und diese Fremde hat ein Kind dabei, und dieses Kind hat deinen Namen. Ich war - ich konnte nur denken, dass sie die Forkenbrocks aus Dixon sein mussten und offenbar doch mit uns verwandt waren. Mutter sagte kein Wort, aber ich spürte, wie ihr Arm zuckte«, sagte er. Das illustrierte er, indem er mit dem Ellbogen wackelte.
    »Ich bin auf dem Friedhof zu dem Jungen hingegangen, der so hieß wie ich, und hab ihn gefragt, ob sie in Dixon wohnten und eine Ranch hätten und mit meinem Vater verwandt wären, der gerade beerdigt wurde. Er starrt mich an und sagt, sie hätten keine Ranch und wohnten auch nicht in Dixon, sondern in LaBarge, und außerdem würde sein Vater gerade beerdigt. Ich war so durcheinander, dass ich bloß sagte:›Du spinnst ja!‹ und zu meiner Mutter zurückging. Sie hat den Zwischenfall mit keiner Silbe erwähnt, und dann sind wir nach Hause gegangen, wo wir wie immer mit verdammt wenig Geld auskommen mussten. Mutter fand Arbeit als Köchin auf der Sump-Ranch. Erst als sie 1975 starb, habe ich mir alles zusammengereimt«, sagte er. »Die ganze Geschichte.«
     
    Am Sonntag machten Berenice und Chad ihren gewohnten Ausflug. Berenice nahm ihre neue Digitalkamera mit. Aus irgendeinem Grund steuerte Chad wieder das Gewirr der Firmenstraßen an, mit dem gleichen Ergebnis wie zuvor - ein Spinnennetz von unbeschilderten Schotterwegen, die in die Irre führten. Weit weg waren Lastwagen am Straßenrand zu sehen. Es gab einen tiefen Graben, in dem ein schwarzes Rohr verlief, das so dick war, dass ein Hund bequem hineingepasst hätte. Sie kamen um eine Kurve und sahen Männer, die ein Stück Rohr in eine riesige Maschine einführten, in der die Rohrabschnitte miteinander verschweißt wurden. Berenice fand die Maschine interessant und hob ihre Kamera. Hinter der Maschine stand ein Laster mit laufendem Motor, am Steuer ein schmuddeliger Knabe mit dunklen Brillengläsern. Zehn Meter weiter weg füllte ein Bagger den Graben auf. Chad ließ das Fenster herunter, grinste und fragte den Burschen mit der dunklen Brille, wie die Maschine funktionierte.
    Der Bursche warf einen Blick auf Berenice’ Kamera. »Was geht Sie das an?«, sagte er. »Und was haben Sie hier überhaupt zu suchen?«
    »Das ist eine Landstraße«, sagte Chad, der zornig wurde, »und ich lebe hier zufällig. Ich bin hier geboren. Ich habe auf diesen Straßen hier mehr zu suchen als Sie.«
    Der Bursche lachte höhnisch. »Von mir aus können Sie auf einem Fahnenmast geboren sein, aber Sie haben kein Recht, hier herumzuschnüffeln und Fotos zu machen.«
    »Herumschnüffeln?« Doch bevor Chad weitersprechen konnte, war der Mann, der die Maschine bedient hatte, heruntergeklettert, und die zwei Männer, die das Rohr gehalten hatten, kamen dazu. Der

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