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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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und ihr Rücken schmerzte; sie wünschte, die Sommerhitze wäre wieder da. Sie schwankte beim Gehen und konnte sich nicht dazu überwinden, Kaffee zu machen. Sie trank Wasser und betrachtete die Eisnadeln, die an der Fensterscheibe hinunterglitten. Später am Vormittag wurden die Rückenschmerzen schlimmer und nahmen eine beharrliche Gleichförmigkeit an. Ganz langsam wurde ihr klar, dass das Baby nicht bis September warten würde. Am Nachmittag waren die Rückenschmerzen eine Pythonschlange, die sie umklammerte, und sie konnte nichts tun als keuchen und stöhnen; das unentwegte Prasseln des Regens übertönte ihre schwachen Hilferufe. Sie wand sich aus ihrem beengenden Kleid und zog ihr ältestes Nachthemd an. Die Schmerzen steigerten sich zu Wellen unerträglicher Krämpfe, nach denen sie um Luft rang, immer wieder, während der Tag in die Nacht verschwand, der Regen vom Wind fortgewirbelt wurde und die Stunden erstickender Dunkelheit ihr unendlich vorkamen. Ein neuer Morgen dämmerte, klebrig vor neuer Hitze, doch ihre geschundenen Lenden konnten das Kind noch immer nicht gebären. Am vierten Nachmittag hatte sie keine Stimme mehr, nachdem sie ununterbrochen Archie, ihre Mutter,Tom Ackler und Tom Acklers Katze gerufen hatte, sie alle miteinander mit lauten Schreien verwünscht hatte und dann Gott, alle Götter, und danach die Enten im Fluss und das Wiesel, und plötzlich lockerte der Python seine Umklammerung, glitt von dem blutigen Bett und ließ Rose zurück, die in einem blauvioletten Nebel abwärts trudelte.
    Es schien später Nachmittag zu sein. Rose war wie an das Bett geschmiedet; bei der leisesten Bewegung spürte sie einen heißen Schwall und wusste, dass es Blut war. Sie stützte sich auf die Ellbogen und sah das verklumpte Kind, grau und steif, die Schlinge der Nabelschnur und die Nachgeburt. Sie weinte nicht; von archaischem Zorn erfüllt, trennte sie den winzigen Leichnam ab, kniete sich auf den Boden, ohne sich darum zu kümmern, dass heißes Blut aus ihr rann, und wickelte den Säugling in das Bettlaken, das bereits steif wurde. Das Bündel war eine ungefüge Masse, und auch den Verlust des Lakens empfand sie als Tragödie. Als sie sich aufrichten wollte, floss das Blut in Strömen, doch sie musste das Kind begraben, um das Grauen dieser Geburt zu beenden. Sie kroch zum Küchenschrank, nahm ein Geschirrtuch heraus und wickelte es zu einem kleineren Bündel um das Kind. Ihre Hand berührte den Silberlöffel, den ihre Mutter ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, und sie steckte ihn in den Halsausschnitt ihres Nachthemds, wo das kühle Metall sich wie Balsam anfühlte.
    Sie hielt den Knoten des Bündels mit den Zähnen gepackt und kroch zur Tür hinaus, bis zu dem sandigen Boden nahe dem Fluss, wo sie, immer noch auf allen vieren und blutend, mit dem Silberlöffel eine flache Grube aushob, in die sie das Kind legte; dann bedeckte sie es mit Sand und häufte darauf so viele Steine aus dem Fluss, wie in Reichweite lagen. Sie brauchte über eine Stunde, um ihrer blutigen Spur zu der Hütte zurück zu folgen, und als sie die Schwelle erreichte, herrschte tiefe Dämmerung.
    Das blutige Laken lag zusammengebauscht auf dem Boden, die nackte Matratze wies einen dunklen Fleck mit den Umrissen Südamerikas auf. Rose lag auf dem Fußboden, denn das Bett war meilenweit entfernt, eine Klippe, die nur Vögel erreichen konnten. Alles schien abwechselnd zu schwellen und zu schrumpfen, das zuckende Bein des Betts, ein dumpfiger Lappen, der über den Rand der Spülschüssel hing, sogar die Zimmerwand blähte sich nach innen, der Stuhl flog wie verhext durch die Luft - alles bewegte sich im Rhythmus ihres heißen, pochenden Blutes. Barrel Mountain brachte die Dunkelheit und presste seine Masse gegen das Fenster, und Eulen flogen krachend hindurch mit Schwingen wie Eisenstangen. Während sie sich in der letzten Stunde durch den zähen Sirup des Unterbewusstseins mühte, hörte sie draußen die Kojoten, und sie wusste, was sie dort taten.
    Als die Nächte im September abkühlten, wurde Archie nervös, ging so oft wie möglich in die Stadt und suchte die Post auf, doch man sah ihn nie Briefe oder Päckchen mitbringen. Sink und Archie wurden von Alonzo Lago beauftragt, einzelne abgelegene Täler zu überprüfen, angeblich um nach abtrünnigen alten Kühen zu suchen, die zu verschlagen, und nach ungebärdigen Kälbern, die zu jung waren, als dass sie sich beim Roundup erwischen lassen würden.
    »Was ist los mit dir?«, fragte

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