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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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Arzt, mach bloß nicht schlapp. Ist nur eine Lungenentzündung. Hatte ich schon zweimal.«
    Archie wollte sagen, dass seine Mutter schon lange tot war und dass er zu Rose am Little Weed musste, wollte sagen, dass es von Rawlins bis zu ihrer Hütte mehr als sechzig Meilen waren, doch er brachte kein Wort heraus, weil der keuchende und pfeifende Husten ihm die Luft nahm. Sink schüttelte den Kopf und besorgte sich beim Koch Zwieback und Speck.
    Alonzo Lago hatte zwei lange Stangen geglättet und dazwischen ein Ochsenfell mit Schlingen befestigt. Sink umwickelte einem Pferd namens Preacher die Beine mit Sackleinwand, damit die Eiskruste ihnen nichts anhaben konnte, und band die Stangen an seinem Sattel fest, was ziemlich knifflig war, bis das Gleichgewicht stimmte. Die dünnen Stangenenden ragten über die Ohren des Pferds hinaus, doch der Vorarbeiter sagte, das sei notwendig, weil die anderen Enden schnell abgenutzt würden. Sie packten Archie mitsamt seinem Schlafsack in eine Decke aus Büffelfell ein, und Sink begann, ihn die dreißig Meilen südwärts nach Cheyenne zu schleppen. Mit dem Wagen wäre es ein Kinderspiel gewesen. Sink fand, dass die Trage keineswegs so praktisch war, wie die Indianer behaupteten. Der Wind, der über Nacht etwas nachgelassen hatte, blies wieder heftiger und schob eine luftige Wolkenwand vor sich her. Nach vier Stunden hatten sie neun Meilen zurückgelegt. Es begann zu schneien und schneite immer stärker, bis sie nichts mehr sahen.
    »Junge, ich kann nix sehen«, rief Sink. Er hielt an, stieg ab, ging zu Archie. Anfangs war der Schnee geschmolzen, sobald er das rotglühende, fiebrige Gesicht berührte, doch nach und nach hatte sich einen Fingerbreit über der Oberfläche der heißen Haut die graue Glasur einer Maske aus Eis zu bilden begonnen. Sink fürchtete, die Maske könnte das wahre Gesicht werden.
    »Wir igeln uns besser ein. Irgendwo in der Gegend gibt es eine Hütte, wenn wir sie finden. Vor ein paar Jahren habe ich den ganzen Sommer da gewohnt. Unterhalb von einem Gebirgskamm.«
    Preacher, das Pferd, hatte den Sommer damals auch dort verbracht und ging nun zielstrebig auf die Hütte zu. Sie lag auf der windgeschützten Seite des Kamms unterhalb des Gipfels. Der Wind hatte Unmengen Schnee auf das winzige Häuschen geweht, aber Sink fand die Tür zu dem Anbau, in dem Preacher untergebracht werden konnte. An der Wand der Box, die er enthielt, lehnte eine Schaufel mit abgebrochenem Griff. In der Hütte gab es einen Tisch und einen Stuhl ohne Lehne und eine Pritsche aus Brettern, die vielleicht einen halben Meter breit war. Auf dem Ofen türmte sich Schnee, das Ofenrohr lag auf dem Fußboden. Teller und Tasse aus schadhaftem Email erkannte Sink auf dem Tisch wieder.
    Er zerrte Archie in die Hütte und hievte ihn samt Büffelfell auf die Pritsche; dann setzte er das Ofenrohr zusammen und schob es durch das Loch im Dach. Weder im Haus noch im Anbau war ein Stück Feuerholz zu entdecken, doch Sink erinnerte sich an die Stelle, wo Kleinholz und Reisig gelegen hatten, und mit der Schaufel ohne Griff kratzte er genug schneeverkrustete Späne zusammen, um ein Feuer in Gang zu setzen. Während die Späne im Ofen zischten und dampften, nahm er Preacher den Sattel ab, löste die Säcke von den Beinen und rieb das Pferd ab. Er suchte den niedrigen Speicher des Anbaus nach Heu ab, aber ergebnislos.
    »Verdammte Scheiße«, sagte er und riss ein paar Bretter aus dem Speicherboden, um sie in den Ofen zu werfen. Draußen grub er mit der kaputten Schaufel im Schnee und legte ein Stück Erde frei; dann nahm er sein Messer und sägte an dem sonnengedörrten Gras herum, bis er ein paar Handvoll geerntet hatte.
    »Mehr ist nicht drin, Preacher«, sagte er und warf das Gras dem Pferd hin.
    In der Hütte war es fast warm geworden. Aus seiner Satteltasche nahm Sink eine kleine Handvoll der Kaffeebohnen, die er immer dabeihatte. Die alte Kaffeemühle hing zwar an der Wand, aber eine Maus hatte ihr Nest darin gebaut, und es gab kein Werkzeug, mit dem man die Maschine auseinandernehmen konnte, um sie zu säubern. Da Sink keine Lust auf heiße Mäusescheiße hatte, zerdrückte er die Bohnen mit dem flachen Messer auf der Tischplatte. Mit dem Blick suchte er nach der Kaffeekanne, die zu der Hütte gehörte, konnte sie aber nicht entdecken. Neben der Pritsche stand ein leerer Petroleumkanister. Sink schnüffelte daran, konnte keine üblen Gerüche ausmachen, füllte Schnee hinein und stellte ihn auf den heißen

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