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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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unterhielten. Mrs. Crashbee sprach laut und nachdrücklich. Sie blies die Wangen auf, und ihre Nasenflügel blähten sich. Dakotah wartete darauf, dass man ihr sagte, wohin sie gehen solle und was sie zu tun habe, und verliebte sich unsterblich in eine Schale, in der Süßigkeiten lagen. Das einzige Möbel in dem Flur war ein langer schmaler Tisch. Auf der glänzenden Tischplatte lagen Mrs. Crashbees Autoschlüssel, und ganz hinten, am Ende des Tischs, stand eine kleine blaue Schale von der Größe eines Untertellers und in Form eines Fischs, in der sieben oder acht Jolly-Rancher-Bonbons mit Wassermelonengeschmack lagen. Was Dakotah bezauberte, war die Form und die Farbe der Schale, deren vielfältiges Blau von Kobalt bis Dunkeltürkis reichte. Mrs. Crashbee sah ihren gebannten Blick und sagte, sie solle sich ruhig bedienen; das arme Ding bekam sicher nicht oft Süßigkeiten zu sehen. Nachdem Bonita gegangen war, wiederholte sie ihre Aufforderung ungeduldig.
    »Mach schon! Bedien dich!«
    Dakotah nahm ein Bonbon und packte es aus, ohne zu wissen, was sie mit dem Papier anfangen sollte. Die Pfarrersfrau führte sie in die Küche und zeigte auf einen verchromten Kübel. Als Dakotah den Deckel zu öffnen versuchte, winkte die Pfarrersfrau sie weg, trat auf ein Pedal, und der Deckel öffnete sich von allein. Auch das war etwas Unbekanntes. Dakotah errötete vor Scham, weil sie das mit dem Pedal nicht gewusst hatte. Im Haus ihrer Großeltern wurden Abfälle in eine Einkaufstüte aus Papier geworfen, unter der eine Zeitung lag, und wenn sie voll war, die Seiten fettbespritzt und der Boden oft durch feuchten Kaffeesatz aufgeweicht, war es Dakotahs Aufgabe, die Tüte zu dem Fass hinauszutragen, in dem sie verbrannt wurde. Das war der einzige Augenblick, in dem sie Streichhölzer benutzen durfte, und sie tat es mit dem feierlichen Ernst einer Priesterin, die ein vestalisches Feuer entzündet, bevor sie vor dem stinkenden Rauch weglief.
    Bonita kam sie abholen. Sie sagte zu Mrs. Crashbee, Verls Untersuchungen hätten schwere Gelenkarthritis ergeben und Knochenverdickungen gezeigt, wo alte Brüche schlecht verheilt waren, aber ändern könne man daran nicht viel. Was er brauchte, war ein völlig neues Knochengerüst, und außerdem war sein Herz schwach. Als er zwanzig war, war ihm ein Bulle auf die Brust getreten und hatte sein Herz beschädigt. In der Klinik hatten sie ihm gesagt, er solle sich nichts daraus machen.
    »Jetzt ist er zu Hause und ruht sich aus«, sagte Bonita.
    Dakotahs Ärmel geriet auf den Tisch und fegte die blaue Schale hinunter. Bonbons kullerten über den Boden wie hellrote Nüsse.
    »Du lieber Himmel«, sagte Bonita, die sich bückte, um die Scherben aufzusammeln, »so ungeschickt wie ein Kalb.« Mrs. Crashbee, die den Kopf schüttelte und das Kinn vorstreckte, sagte: »Ach, das macht nichts, es war nur ein schäbiger alter Teller«, doch in einem Ton, als wäre es kostbares Royal-Worcester-Porzellan gewesen. Bonita verabreichte Dakotah zu Hause eine ordentliche Tracht Prügel.
    Mrs. Crashbee hatte einen Mikrowellenherd, in dem die Suppe mittags wie durch Zauber warmgemacht wurde. Als Dakotah dieses Wunderding ein paar Tage später Bonita schilderte, hörten sie Verl, der von seinem Sessel im Wohnzimmer aus zuhörte, schnauben und rufen, er für seine Person wolle es bei dem guten alten Küchenherd belassen. Was bedeutete, dass Bonita, die ein gewisses Interesse an Dakotahs Schilderung gezeigt hatte, sich keinen Mikrowellenherd zu erhoffen brauchte.
     
    Dünn, mit farblosem, graubraunem Haar und grauen Augen und zugleich mit Nase und Kinn eines Jungen, ohne jede Spur der auffallenden Schönheit ihrer Mutter, kauerte Dakotah in der Schule an ihrem Pult und hielt sich von den anderen fern, und die Lehrer hielten sie für leicht unterbelichtet.
    In der vierten Klasse brachte Sherri Match vier Kätzchen in die Schule mit.
    »Sie sind zum Verschenken«, sagte sie. »Sucht euch eins aus.«
    Dakotah wünschte sich auf der Stelle das winzige schwarze Kätzchen mit weißen Pfoten und aufgerichtetem Schwänzchen. Sie streichelte es, und es schnurrte.
    »Du kannst es haben«, sagte Sherri großspurig im Gefühl ihrer Freigebigkeit.
    Dakotah nahm das Kätzchen unter ihrem Pullover mit nach Hause, und es kratzte und wehrte sich erstaunlich kraftvoll für ein so kleines Geschöpf. In Bonitas Küche gab sie ihm einen kleinen Unterteller voll Milch. Es nieste und trank dann gierig. Bonita sagte nichts, doch ihr

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