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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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erhalten hatte.
    Wenige Monate vor dem Abschluss verließ sie die Schule. DieVertrauenslehrerin Mrs. Lenski, eine Frau mittleren Alters, deren wässrige blaue Augen braun umrandet waren, versuchte sie dazu zu überreden, den Abschluss zu machen. »Oh, ich weiß, wie es Ihnen geht, ich verstehe natürlich, dass Sie heiraten wollen, aber glauben Sie mir, Sie werden es nie, nie, nie bereuen, wenn Sie Ihren Abschluss machen. Wenn Sie dann Arbeit suchen oder es Probleme gibt.«
    Nein, dachte Dakotah, du weißt nicht, wie es mir geht, du weißt nicht, was es heißt, ich zu sein, aber sie schwieg. In Big Bobs Raststätte fand sie eine Stelle als Kellnerin. Die Bezahlung war miserabel, und die Trinkgelder waren schäbig, doch das Geld genügte für eine Dreizimmerwohnung über den Räumen der Elks-Bruderschaft.
     
    Otto und Virginia Hicks und Verl und Bonita begleiteten sie an Dakotahs freiem Tag zum Standesamt. Um der Feierlichkeit des Anlasses Rechnung zu tragen, gingen sie nach der kurzen Zeremonie zu Big Bob und setzten sich in eine Nische inmitten von Lastwagenfahrern und Gasfeldarbeitern. Der Geschäftsführer Mr. Castle gratulierte und spendierte die Getränke. Sash zupfte an einem Eiterpickel an seiner Oberlippe herum, aß drei Big Bobber und trank einen großen Milchshake. Dakotah bestellte heiße Schokolade mit Schlagsahne. Mrs. Hicks schüttete Cola auf ihren fliederfarbenen Rock und hatte es eilig, nach Hause zu gehen und den Fleck rauszuwaschen.
    »Ich hoffe, das geht wieder ganz raus«, jammerte sie.
    Die Hicks waren berühmt für ihre Kartenabende, bei denen Canasta am beliebtesten war und der erste Preis einer von Virginia Hicks’ Pekankuchen war, denn sie stammte aus Texas und war stolz auf ihre Pekankuchen. Otto Hicks hatte sie als junger College-Absolvent kennengelernt, der sich in Amarillo bei einer Bohrgerätefirma um eine Stelle bewarb. Er trug seinen Cowboyhut und seine Cowboystiefel und bekam die Stelle nicht. Stattdessen überredete er Virginia, die Cheftelefonistin der Firma, ohne Kündigung mit ihm nach Wyoming zu gehen, und das war in gewisser Weise seine Rache. Zusätzlich hatte er auf dem Parkplatz die Fahrertür des Wagens des Personalchefs mit einem Hufkratzer, den er bei sich hatte, verunstaltet. In Wyoming ging Otto Hicks in das Schneezaungewerbe und spezialisierte sich auf den Highwaybereich.
    Bonita und Verl hatten es ebenfalls eilig und ließen ihre zusammengeknüllten Servietten auf dem Tisch liegen, statt sie in den Abfalleimer zu werfen, denn Verl spürte seine altgewohnten Schmerzen und hatte das Gefühl, dass sie sich unaufhaltsam seinem Herzen näherten. Keiner der anderen wusste, was es hieß, ernsthaft krank zu sein, dachte Verl, oder was es hieß, morgens aufzuwachen und nicht zu wissen, ob man am Abend noch erleben würde, dass in der Dämmerung das Hoflicht angemacht wurde. Er hatte die Schulmedizin aufgegeben und befolgte inzwischen die lokale Gepflogenheit, einen Chiropraktiker aufzusuchen, den allseits geschätzten Jacky Barstow, einen dicken Mann mit Fingern wie Stahlstangen. Der Chiropraktiker erklärte ihm, seine Wirbelsäule sei an allem schuld, und die meisten Leiden, inklusive Krebs, seien die Folge von Wirbelsäulenschäden und -verkrümmungen. Verls Wirbelsäule sei ein ganz besonders übles Exemplar. Verl rutschte von der Sitzbank, Bonita folgte ihm. Dakotah räumte automatisch den Tisch ab und warf die Pappbecher und Verpackungen in den Abfalleimer, was von Sash Hicks (und von Mr. Castle) mit Wohlgefallen quittiert wurde. Das Essen hatte niemand bezahlt, und Mr. Castle sagte zu Dakotah, dass er den Betrag von ihrem nächsten Lohn abziehen werde.
     
    Sash Hicks war nicht der erste nackte Mann, den Dakotah zu sehen bekam. Als sie vierzehn war, war Bonita mit ihrem steifen, schmerzenden arthritischen Knie gestolpert und die Verandatreppe hinuntergefallen und hatte sich den linken Arm gebrochen. Die neue Ärztin im Krankenhaus, eine vierschrötige Frau um die fünfzig, führte ein Telefongespräch mit Bonitas Hausarzt, der ihre Arthritis behandelte, und sagte dann, ohne sich um Bonitas zornentbrannten Blick zu scheren, bei diesem Anlass könne endlich das künstliche Kniegelenk eingesetzt werden, da Bonita sich sowieso mehrere Wochen lang schonen müsse.
    »Jünger werden Sie nicht mehr, Bonita«, sagte die Ärztin, die Bonita die Röntgenaufnahmen zeigte. »Das rechte Knie ist ganz in Ordnung, aber die Knochen im linken sind abgenutzt und beschädigt. Ohne

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