Hier hat s mir schon immer gefallen
verbogen, und die Löffel waren abgenutzt.
Verl wurde munterer. »Aber heute hatte ich weniger Schmerzen in der Brust als gestern.«
»Hmm.« Sie wusch die Kartoffeln und schnitt sie in Würfel, damit sie schneller garten.
»Ich hab mir gedacht, ich sollte vielleicht besser morgen um zehn vor acht zu der Frau Doktor gehen. Aber jetzt weiß ich nicht so recht. Nachdem ich heute keine Schmerzen hatte.«
»Vielleicht war das bloß Zufall, Verl, oder? Dass du keine Schmerzen hattest, obwohl du so schwer gearbeitet hast.«
Er schielte zu ihr hinüber, versuchte zu erraten, ob sie sich über ihn lustig machte. »Ich will euch nicht allein zurücklassen, wenn ich an einem Herzinfarkt sterbe«, sagte er scheinheilig.
Sie schwieg.
»Na, dann geh ich besser hin.« Das hatte er von Anfang an vorgehabt.
Wyatt Match fand, dass Verl Listers verlotterte Ranch rufschädigend für die anderen Rancher von Wyoming war. Insgeheim dankte er dem Himmel, dass Listers Land an keiner Hauptstraße lag. Oft zitierte er Robert Frosts Worte, »gute Zäune bedeuten gute Nachbarn«, ohne das Gedicht oder die unterschiedlichen Zwecke zu verstehen, denen steinerne Mauern und Stacheldrahtzäune dienten. Er hatte die Listers als Sündenböcke ausgesucht, und alles an ihnen bestätigte ihn in seinen Vorurteilen, von Verls Arbeitsmethoden über sein Schielen, das bewirkte, dass er einen nur mit dem linken Auge ansah, bis zu Bonitas hellblauen Kunstseidenhosenanzügen. In Wahrheit waren Verl Listers Kühe wild und ungebärdig, weil niemand sich um sie kümmerte; sie litten an Parasiten, Strahlfäule, Milchfieber, Prolapsus und Hernie; sie wurden mit dem Gewehr und mit Pfeil und Bogen erschossen, sie stürzten über niedrige Zaunpfosten, fraßen Draht, husteten und schnieften, fielen ins Wasser und ertranken. Verl bezeichnete Match als »den mit seiner Klickweh, die alles so machen, wie es ihnen passt«. Aber wenn er Match bei einer Viehauktion oder im Laden für Landwirtschaftsbedarf begegnete, lächelte er und begrüßte ihn herzlich, was Match mit »Hallo,Tag,Verl« beantwortete. Doch wenn sie sich in ihren Trucks auf dem Land begegneten, hob Verl drei Finger zum Gruß, während Match, dessen Gesicht in der Sonne glühte, geradeaus starrte. Pete Azkua, der Enkel eines baskischen Schafranchers, drückte es so aus: »Nahi bezala haundiak ahal bezala ttipiak« , was seinen Worten zufolge hieß, dass die Großen taten, was sie wollten, und die Kleinen, was sie konnten. Es erklärte jedenfalls manch verdrießliche Miene in der Nachbarschaft.
Verl konnte Match nicht leiden, doch wen er überhaupt nicht ausstehen konnte, das war Matchs zweite Ehefrau Carol Shovel. Sie war eine Kalifornierin mit roten Augenbrauen und fuchsroten Haaren, aufreizend gekleidet und mit klappernden Armreifen behängt. Sie hielt sich für tonangebend und gab zu allem und jedem ihre Meinung ab. Niemand konnte verstehen, warum sie Match geheiratet hatte. Er war natürlich reich, das wusste jeder, nicht durch seine Ranch, sondern durch die Mail-Order-Abnehmkur namens Cowboy Slim Program, für die sein Vater ein Patent erworben hatte. Carol Match hatte Pläne sonder Zahl, um den Fortschritt nach Wyoming zu bringen: den Zugverkehr wiedereinzuführen oder eine Buslinie einzurichten, Schwarze und Asiaten zur Einwanderung zu motivieren, um ethnische Vielfalt zu säen, die Hauptstadt nach Cody zu verlegen, den Bundesstaat für Filmemacher und Computerfritzen attraktiv zu machen. Es sprach sich herum, dass sie gesagt haben sollte, die Leute aus Wyoming seien faul. Faul! Verl war außer sich. Obwohl er für seine Person der Arbeit weitestmöglich aus dem Weg ging, tat er das nur, weil er eigentlich schwerbeschädigt und herzkrank war. Jeder auf der Welt mit Ausnahme dieser Kuh aus Kalifornien wusste, dass es kein genügsameres, fleißigeres, zäheres und arbeitsameres Völkchen auf Gottes Erdboden gab als die Menschen in Wyoming. Die Arbeit war beinahe heilig, gute körperliche Arbeit, die heiter und um ihrer selbst willen verrichtet wurde, der Inhalt aller Tage, der Kern des Daseins in Wyoming. Das und zähes Durchhalten, wenn das Schicksal einen heimsuchte; die Erkenntnis, dass man keinen Sicherheitsgurt brauchte, weil man den Löffel abgab, wenn es an der Zeit war, ihn abzugeben. Auf den beengenden Sicherheitsgurt zu pfeifen, das war Pioniergeist und Freiheitswille.
»Ich würde ihr am liebsten sagen, wo sie ihr Leergut hinbringen soll, aber solchen Leuten kann man nichts
Weitere Kostenlose Bücher