Hier kommt Hoeneß!
Geschäftsstelle an der Säbener Straße. Es beginnt das wohl kürzeste Einstellungsgespräch der Bayern-Historie – und das wohl ungewöhnlichste. Breitner erinnert sich: »Der Uli und ich hatten uns gerade gesetzt, da kam Hoffmann schnell zum Thema und meinte ganz pragmatisch: ›So, ihr zwei macht das ab jetzt. Sie, Paul, machen das Fußballerische, und Sie, Uli, regeln das Finanzielle. Ich repräsentiere lediglich.‹ Das war genau das, was wir hören wollten. Und der Präsi war auch happy.« Breitner gibt Hoffmann damals sogar noch eine Aufgabe mit auf den Weg: »Alles wunderbar. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Schauen’S bloß, dass Ihr Kopf so oft wie möglich in der Zeitung ist.«
Das Duo ist am Ziel. Nach außen war es so, dass Präsident Hoffmann und Trainer Csernai den Verein führten, die Entscheidungen aber trafen Hoeneß und Breitner – ein Jungmanager und ein Spieler.
Da saß Hoeneß dann am Schreibtisch seines Büros an der Säbener Straße, an seinem ersten Arbeitstag, am 1. Mai 1979. Etwas hilflos und allein gelassen. Eine Einarbeitung hatte es nicht gegeben, auch nicht von Robert Schwan, seinem Vorgänger. Learning by doing, das war das Prinzip. Die Erinnerung an Tag eins des neuen Lebensabschnittes ist Hoeneß noch sehr präsent, sonst würde er nicht wissen, was er damals als Premierenoutfit gewählt hatte: ein graues Sakko, dazu ein hellblaues Hemd.
Hoeneß hatte sich auf dem Weg ins Büro einen schwarzen Notizblock unter den Arm geklemmt, und los ging’s. Doch was sollte er eigentlich tun? Was sollte er seiner Sekretärin zu tun geben? Schwan hatte sein Büro nahezu komplett ausgeräumt, Hoeneß arbeitete an einem eher popeligen weißen Schreibtisch, vor sich ein Stapel weißes Papier, daneben einer dieser mausgrauen Telefonapparate mit Wählscheibe und den weißen Verschlüssen über Hör- und Sprechmuschel. Alles in Weiß, unberührt, unschuldig. »Dann habe ich mit drei, vier Leuten zwei Stunden rumtelefoniert und bin wieder heimgefahren.«
Ein erster Arbeitstag, der gerade einmal ein bisschen länger gedauert hat als ein Fußballspiel. Damals wusste Hoeneß noch nicht, ob ihm das auf Dauer genügen würde, ob seine Aufgabe ihn ausfüllen würde. Auch sein bester Freund Paul Breitner war sehr skeptisch, obwohl er ihm ja geraten hatte, den Job anzunehmen. Denn aus seiner Sicht war das nur Hoeneß’ erster Schritt in eine ganz andere Welt, der Beginn einer ganz anderen Karriere. »Ich hatte nie geglaubt, dass der Uli bei Bayern Manager werden würde – das kam in meinen Überlegungen einfach nicht vor. Und das nicht, weil ich ihn nicht für fähig genug gehalten hätte, nein, im Gegenteil. Ich dachte, dass der FC Bayern eine zu kleine Nummer war, eine viel zu kleine Aufgabe. Für mich war sein Weg in die Wirtschaft vorgezeichnet. Ich dachte, dass er einmal einen richtig dicken Posten übernehmen würde, etwa in einem Konzern Vorstandsvorsitzender wird, so eine Karriere macht.«
Hoeneß ergriff seine Chance, schließlich war er vorbereitet, obwohl er keine wirkliche Ausbildung dafür besaß. Als Spieler hatte er Robert Schwan erlebt, den ersten Manager des FC Bayern, den Mann, der mit ihm den ersten Vertrag im elterlichen Hause in Ulm ausgehandelt hatte. Ein Mann, der den Beruf des Managers erst kreiert und ihm mehr als nur einen zeitgemäßen, modernen Anstrich verpasst hatte. Schwan war seiner Zeit voraus, einer Zeit, die jedoch in puncto Vermarktung und Einnahmemöglichkeiten durch Sponsoring und TV-Gelder im Vergleich zur heutigen Zeit als steinzeitlich zu betrachten ist. Seit 1964 war Schwan, ein gebürtiger Münchner, beim FC Bayern, erst als Spielausschuss-Vorsitzender, dann als Manager. Vor ihm gab es in der Bundesliga keinen, der sich so wie er um die individuelle Betreuung der Spieler gekümmert, der die medizinische Versorgung ausgebaut und auf eigene Faust Freundschaftsspiele in Südamerika ausgemacht hatte. »Schwan war sehr fürsorglich. Wir Spieler waren wie seine Kinder, seine Familie«, lobte etwa Abwehrspieler Katsche Schwarzenbeck.
Von Schwan konnte Hoeneß vieles lernen, nicht nur das Handwerkliche, da schaute er ihm regelmäßig über die Schulter, auch das nötige Selbstbewusstsein. Mit einem Satz erlangte Schwan, der sich ja auch noch um die Vermarktung des Kaisers kümmerte, bundesweit Berühmtheit: »Ich kenne nur zwei vernünftige Menschen: Robert Schwan am Vormittag und Robert Schwan am Nachmittag.«
Hoeneß am Vormittag, das hieß damals
Weitere Kostenlose Bücher