Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pattrick Strasser
Vom Netzwerk:
Bayern-Verantwortlichen hatten damals eine Vertragsklausel bei Kapellmann, wonach er für Prüfungstermine freigestellt werden sollte, kurzerhand gestrichen. Der Abwehrspieler wehrte sich dagegen und erklärte, diesen Passus so gut wie nie benutzt zu haben. Er habe in der abgelaufenen Saison lediglich bei einer Trainingseinheit und einem Freundschaftsspiel wegen Prüfungsterminen gefehlt. Kapellmann beklagte sich öffentlich: »Das ist eine reine Retourkutsche der Herren Breitner und Hoeneß, die hier die einzige Möglichkeit sehen, mir die Pistole auf die Brust zu setzen. Von Trainer Pal Csernai habe ich menschlich allerdings eine stärkere Position erwartet. Aber ich habe Verständnis für sein Verhalten. Sein Hemd ist ihm eben näher als der Rock.«
    Und Hoeneß war sein Bruder Dieter näher als andere. Er sollte der Nachfolger von Gerd Müller auf der Mittelstürmerposition sein, ein schwereres Erbe war kaum vorstellbar. 175 000 DM mussten an den VfB Stuttgart überwiesen werden – eine Risikoinvestition. Der Stil des großen, dürren, aber zugleich schwerfälligen Kopfballspezialisten hatte rein gar nichts mit dem kleinen, wendigen Müller zu tun. Die Fans lehnten den zweiten Hoeneß dann auch zunächst ab, es sah ihnen doch zu sehr nach Vetternwirtschaft aus.
    »Hoeneß raus! Hoeneß raus!«, brüllten die Zuschauer. Für den Bruder eine Zumutung: »Das schmerzt wahnsinnig.« Doch beide blieben stur und zogen die Nummer durch – mit Erfolg. Der ein Jahr jüngere Bruder erkämpfte sich die Anerkennung dann durch Tore. 102 Bundesligatreffer in acht Jahren folgten, dazu die Spitznamen »Mister Europacup« und »Turban-Dieter«. Letzteren verdankte er einer Situation, die immer noch sehr oft mit der Karriere von Dieter Hoeneß verbunden wird: Im Pokalfinale 1982 gegen den 1. FC Nürnberg erleidet er nach einem Zweikampf mit Alois Reinhardt eine klaffende, stark blutende Platzwunde an der Stirn. Er muss genäht werden. In der Kabine fleht ihn sein Bruder an: »Du darfst dich jetzt nicht auswechseln lassen.« Dieters Erinnerungen sind eher pragmatischer Natur: »Was wirklich wehtat, das war das Nähen.«
    In der letzten Minute erzielt Dieter dann nach einem anfänglichen 0:2-Rückstand der Bayern das Tor zum 4:2-Endstand per Kopf – mit seinem mittlerweile durch all die Zweikämpfe wieder blutdurchtränkten Turbanverband.
    Auf kein Spiel seiner Karriere wurde Ulis Bruder öfter angesprochen. »ZDF-Kommentator Dieter Kürten hat das im Fernsehen damals sehr dramatisch dargestellt«, sagt Dieter Hoeneß im Rückblick. »Dabei war es ja nicht gefährlich. Und außerdem war so viel Adrenalin in meinem Körper, dass ich gar keine Schmerzen empfand.« Die Beteiligten aber staunten. »Man sollte ihm das Eiserne Kreuz verleihen«, jubelte Präsident Hoffmann.
    Was Dieter dann tatsächlich bekam, war ein Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde: Zwischen der 68. und 89. Minute traf er beim 6 : 0 gegen Eintracht Braunschweig im Februar 1984 satte fünf Mal. Und als unerwartete Krönung seiner Karriere durfte Dieter dann sogar als Spätberufener unter Teamchef Franz Beckenbauer noch mit zur WM 1986 in Mexiko und wurde beim 2 : 3 im Finale gegen Argentinien eine halbe Stunde vor Schluss als Joker eingewechselt. Im Rückblick meinte Uli einmal: »Dieter war der beste Einkauf meiner Karriere.«
    Am 2. Juni 1979, beim Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf, nimmt Uli Hoeneß im Olympiastadion zum ersten Mal neben Trainer Csernai auf der Bank Platz. Er kommt, wie man heute sagen würde, im Casual-Look daher, trägt ein blaues Hemd, den zweiten Knopf offen, die Ärmel hochgekrempelt. Der Trainer glänzt im schwarzen Kurzarmhemd, weiß gepunktet. Nach einem Bundesligaspiel sieht das nicht aus, eher nach einem lässigen Betriebsausflug. Dass Hoeneß später seine entweder rot-weiß oder blau-weiß gestreiften Hemden samt roter Stadionjacke zu einer Art Arbeitsuniform in den Stadien machen würde, war damals kaum vorstellbar.
    Am Ende der Saison waren die Bayern Vierter, qualifizierten sich nach zweijähriger Abstinenz wieder für einen internationalen Wettbewerb, wenn es auch nur der Uefa-Cup war. Für Trainer Csernai war es nach dieser Saison der Extreme »ein kleines Wunder« – für Hoeneß ein kleiner Anfang. Jedoch nach einer enormen Anstrengung. Nach knapp drei Monaten im Job gab der Jungmanager zu Protokoll: »Ich habe nicht mit dieser ungeheuren Belastung gerechnet. Aber ich habe es nicht bereut.«
    Die »Abendzeitung« titelte in

Weitere Kostenlose Bücher