Hier kommt Hoeneß!
Tagesablauf der ersten Wochen seines neuen Lebens war genau durchstrukturiert und lässt sich dank einer damaligen Ausgabe der »Abendzeitung« genau nachvollziehen: Um 6.30 Uhr steht er auf, eine halbe Stunde später geht es mit dem Dackel und dem Schäferhund auf eine Runde. Danach Frühstück mit Frau Susi und der vierjährigen Tochter Sabine. Beim Frühstück langt er kräftig zu: gekochtes Ei, eine Grapefruit, zwei Brote mit Wurst und Marmelade. Dafür isst er mittags so gut wie gar nichts. Danach fährt Hoeneß mit dem Auto vom Wohnsitz Ottobrunn nach Harlaching zum Trainingsgelände, sein Dienstzimmer betritt er spätestens um 9.30 Uhr. Diesen Rhythmus gibt er jedoch bald auf. Wenn keine besonderen Termine anstehen, schläft er auch gerne mal länger. »Ich bin keiner, der jeden Tag früh um neun Uhr antritt. Ich fange lieber morgens später an und bleibe abends länger.«
Am 5. Mai 1979 bestritten die Bayern in Darmstadt ihr erstes Pflichtspiel, seit der Manager nun offiziell im Amt war. Es wurde ein 3 : 1. Und wer schoss dabei den ersten und den letzten Treffer? Natürlich Paul Breitner, was dem Ganzen beinahe einen Hauch von Emotionalität verlieh. Die »Süddeutsche Zeitung« vom Montag danach titelte: »Bescheidener Uli Hoeneß – Sekt zum Einstand«. Es waren immerhin ein paar Flaschen, die er der Mannschaft spendierte. »Ich maße mir nicht an zu sagen, dass dieser Erfolg bereits auch mein Verdienst ist«, wird er zitiert. Bei Leberknödelsuppe, Kalbssauerbraten, Spätzle, Salat und Vanilleeis mit Schokoladensauce sagte er im »Hotel Gravenbruch«: »Ich möchte mich für diesen Einstand herzlich bei euch bedanken.« Er wollte als ehemaliger Mitspieler bewusst keine Kluft zur Mannschaft aufkommen lassen und fügte sich ein, als wäre er noch einer von ihnen. Mit Maier und Schwarzenbeck duzte er sich weiter, »weil ich die ja noch aus einer Zeit kenne, als ich bei Bayern selber noch ein Pimpf war. Da wäre es albern, das Sie einzuführen.« Hoeneß packte auch mit an, schleppte Gepäck und Ausrüstung vom Bus zum Check-in am Flughafen, kümmerte sich um Gastgeschenke und Mitbringsel auf Reisen, richtete in der Kabine persönlich die Elektrolytgetränke her. Er war das Mädchen, nein der Uli für alles. Präsident Hoffmann war begeistert: »So einen Mann brauchen wir, der hinlangt, wo es notwendig ist – keinen Scharlatan, der uns nur auf der Tasche liegt.«
Parallel zu den letzten Saisonspielen galt es, die ersten Transfers vorzubereiten. Bereits am 6. Mai reiste Hoeneß gemeinsam mit Trainer Csernai nach Arnheim, um Sören Lerby und Frank Arnesen von Ajax Amsterdam zu beobachten. »Die beiden jungen Dänen könnten in unserer Zukunftsplanung eine Rolle spielen.« Tatsächlich wechselte Lerby vier Jahre später nach München. Als Hoeneß damals über Frankfurts Mittelfeldspieler Wolfgang Kraus spricht, hört es sich bereits so an, als sei er seit zig Jahren im Geschäft. »Seine Ablösesumme ist immer noch verdammt hoch.« Kein Wunder, rund 500 000 Mark kostete Kraus – viel Geld für damalige Verhältnisse. Denn die Aufwendungen für die Gehälter betrugen bei Bayern im Jahr zuvor nur knappe neun Millionen DM – mit dieser Summe lässt sich heutzutage gerade mal das Bruttojahressalär eines gestandenen Profis finanzieren. Für die neuen Spieler, die ab diesem Zeitpunkt verpflichtet wurden, war Hoeneß der »Herr Hoeneß«. Anders als bei den früheren Mitspielern legte er nun Wert auf Distanz. »Da ist das Du nicht angebracht.«
Die Bilanz der ersten Wochen Hoeneß’scher Personalpolitik: Branko Oblak verlängert seinen Vertrag, Jan Einar Aas kommt aus Norwegen, Hanne Weiner von Hertha BSC, Wolfgang Dremmler nach schwierigen Verhandlungen aus Braunschweig und als prominentester Neuzugang Ulis Bruder Dieter vom VfB Stuttgart. Während Breitner sagte, dass »wir den Dieter geholt« hatten, stellte Hoeneß später klar: »Dieter wäre sowieso nach München gekommen, das war schon zuvor und unabhängig von meiner Person vereinbart.«
Abgegeben wurden der Holländer Martin Jol, Wolfgang Rausch, Peter Gruber und Jupp Kapellmann. Der Rheinländer, an allen großen Triumphen seit 1973 beteiligt, wechselte ausgerechnet zum Stadtrivalen TSV 1860. Sein Motiv: Er wollte sein Medizinstudium durchziehen – und schon sah sich Hoeneß dem ersten Zoff mit einem Spieler ausgesetzt, der zum Teil über die Medien ausgetragen wurde. Und in dem sich erstmals das knallharte Geschäftsdenken von Hoeneß zeigte. Die
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