Hier stinkt's!

unsichtbare Nachrichten schreiben kann. Wenn man das Papier mit dem Bügeleisen erhitzt, wird die Nachricht sichtbar. Und früher in der zweiten Klasse haben Mookie und ich das Morse-Alphabet gelernt, sodass wir uns mit Klopfzeichen Nachrichten morsen konnten. Leider konnte Mookie nur die Buchstaben E, I, T und S, sodass die Nachrichten recht einsilbig ausfielen, zum Beispiel »Iss«.
    Mr Murphy reichte mir den Zettel.
    Ich las die Nachricht: NTHN BRCRMB . Das machte überhaupt keinen Sinn. Ich versuchte zu raten: »Nüchterner Brotkrampf?«
    »Komm, Nathan, streng dich an«, sagte Mr Murphy. »Das ist wichtig.«
    Vielleicht stand jeder Buchstabe für einen anderen. Mir fielauf, dass der erste und der letzte Buchstabe jeweils identisch waren. Aber das half mir auch nicht weiter. Vermutlich gab es Millionen Wörter, bei denen das so war.
    »Streng dich an, Nathan Abercrombie «, sagte Mr Murphy.
    Warum sagte er ständig meinen Namen? Ich starrte auf den Zettel. Irgendwie kamen mir die Buchstaben vertraut vor. Oh. Jetzt sah ich es. »Es ist mein Name, nur ohne die Vokale. Stimmt’s?«
    »Vielleicht sind Codes nicht deine Stärke«, sagte Mr Murphy. »Kein Problem. Lass uns etwas ausprobieren, wovon ich glaube, dass du richtig gut darin bist. Bist du bereit?«
    »Klar.« Nachdem ich im Verfolgen und im Codeknacken versagt hatte, war ich definitiv bereit, irgendetwas gut zu können.
    Er öffnete den Koffer. Darin waren jede Menge Schlösser – Vorhängeschlösser, Zahlenschlösser und sogar Türgriffe mit Schlössern darin.
    »Sollte man einen Koffer nicht besser von außen abschließen?«, fragte ich.
    »Sehr witzig.« Er nahm ein Vorhängeschloss aus dem Koffer und reichte es mir. »Ein guter Spion kommt überall rein, egal wie gut das Gebäude geschützt ist. Schlösser sind nie ein Problem. Und du mit deinen ruhigen Händen müsstest eigentlich ein Naturtalent sein.«
    »Super.« Er hatte recht – bestimmt war ich richtig gut darin, denn meine Hände zittern tatsächlich nie. Ich stellte mir vor, wie ich in irgendwelche Häuser einbrach. Wie ich in das Versteck der Bösen eindrang und ihre Computerdaten stahl, ohne dass die überhaupt mitbekamen, dass ich da war. Solange ich ihnen nicht irgendwohin folgen musste.
    Mr Murphy hielt ein Werkzeug hoch und erklärte mir, wieman es benutzt. Dann gab er es mir, zusammen mit einem Schloss. »Versuch’s mal. Ganz vorsichtig. Du musst das Instrument ganz behutsam hineinschieben und die Zuhaltungen erfühlen.«
    Fühlen? Meine Hände sind zwar völlig ruhig – so ruhig, dass ich ein fantastischer Videospieler bin –, aber irgendetwas zu fühlen war nicht meine Stärke. Schließlich war ich mit Verschwinde-Schmerz begossen worden, damit meine Gefühle nicht mehr verletzt werden konnten. Stattdessen hatte die chemische Zusammensetzung leider dafür gesorgt, dass ich eine Menge andere, konkretere Dinge nicht mehr fühlte.
    Ich schob das Instrument in das Schlüsselloch und versuchte zu ertasten, was darin vor sich ging. Nichts. Ich bewegte es hin und her. Selbst mit Fäustlingen an den Händen hätte ich mich nicht dümmer anstellen können.
    »Das hat keinen Sinn.« Ich gab Mr Murphy das Werkzeug und das Schloss zurück. »Ich kann das nicht.«
    »Gib nicht so schnell auf. Lass es uns mit dem Zahlenschloss probieren«, sagte er. »Die sind einfacher zu knacken.« Er gab mir eins und erklärte mir, wonach ich fühlen sollte.
    »Vergessen Sie’s«, sagte ich. »Ich krieg das nicht hin.«
    »Versuch es einfach.«
    Ich versuchte es. Ohne Erfolg.
    Mr Murphy seufzte und machte sich daran, den Koffer zu schließen. Dann hielt er inne, griff hinein und zog eine Papprolle heraus. »Wir sollten noch mal über deinen Arzttermin sprechen. Wenn dein Geheimnis auffliegt, wirst du für uns l ängst nicht mehr so nützlich sein. Es könnte dich sogar in Gefahr bringen. Aber meine Leute haben sich mit dem Problem beschäftigt.«
    Meine auch. Ich beschloss, ihm lieber nichts von Abigail zuerzählen – zumal er gerade davon gesprochen hatte, dass mein Geheimnis bewahrt werden musste. Er würde auf keinen Fall verstehen, dass die beiden Menschen, denen ich auf der ganzen Welt am meisten vertraute, Fünftklässler waren. Die Leute hielten es einfach nicht für möglich, dass Kinder ebenso gut wie Erwachsene Geheimnisse bewahren konnten, Probleme ausknobeln oder die Welt vor den Bösen retten.
    Er zog ein Blatt Papier aus der Papprolle, rollte es auf und hielt es hoch. Ich sah mir