Hier stinkt's!
Hause. Aber am nächsten Morgen, als ich zur Schule ging, gelang es mir, einen älteren Jungen ein paar Blocks weit zu verfolgen. Irgendwann bog er zur Realschule ab, aber erhatte mich definitiv nicht bemerkt. Ich hatte es geschafft! Den restlichen Schulweg lang fühlte ich mich echt super.
»Sechsundsechzig Komma sechs!«, rief Abigail, als ich an der Schule ankam.
Anstatt »Hä?« zu sagen, wartete ich einfach, bis sie weitersprach.
»Dein Problem ist zu zwei Dritteln gelöst«, erklärte sie. »Macht sechsundsechzig Komma sechs Prozent. Eigentlich sogar Komma sieben, wenn man aufrundet.«
»Auf in die Runde!«, rief Mookie. Er wirbelte seine Fäuste in der Luft herum und hüpfte in einem imaginären Boxring umher.
Ich war gut genug in Bruchrechnen, um zu verstehen, was Abigail meinte. Es gab drei Probleme, die wir lösen mussten. Das mit der Temperatur war schon geritzt, also hatte sie eins der anderen beiden gelöst. »Was hast du herausgefunden?«
»Es ist unglaublich einfach«, sagte Abigail. »Als du gestern weg warst, bin ich in die Bücherei gegangen und habe eine abendfüllende physiologische Recherche durchgeführt.«
»Füßio- was?«, fragte ich.
»Füße!«, schrie Mookie, der gerade seinen Fantasiegegner k. o. geschlagen hatte. »Geschminkte Füße!«
»Nicht füßio-, sondern physio-«, erklärte Abigail. »Physiologie, die Lehre vom Körper. Ich habe mir das Kreislaufsystem angesehen – du weißt schon, den Blutkreislauf und das Herz –, und da fiel es mir ein.« Sie hielt einen kleinen Gummiball hoch, wie die, die man aus Kaugummiautomaten zieht.
»Hast du alle deine Ideen aus Kaugummiautomaten?«, fragte ich.
»Na ja, die stehen halt überall rum«, sagte sie. »Tatsächlich habe ich das hier aus einem. In der Bücherei gibt es einen, gleichhinter dem Automaten mit den Tattoostickern von Edgar Allan Poe und Sylvia Plath.«
»Was ist das?«, fragte ich.
»Dein Puls«, antwortete sie.
»Hä?«
»Klemm ihn dir unter den Arm«, befahl Abigail.
Mookie trabte zu uns zurück, völlig außer Atem wegen seinem Boxkampf. »Igitt! Nathan ist doch nicht Dilby, der Wühler.«
»Er muss es aber tun, wenn er den Arzttermin überstehen will«, sagte Abigail. Sie reichte mir den Ball.
Ich klemmte ihn unter meinen rechten Arm. Verglichen mit ein paar anderen Sachen, die sie schon von mir zu tun verlangt hatte, schien mir diese Aufgabe recht einfach. Wenigstens würde ich nicht am Ende triefnass in Unterwäsche dastehen, so wie damals im Aquarium.
»Und was jetzt?«
»Du musst Druck ausüben«, sagte sie. »Unter deiner Achsel liegt eine Hauptarterie. Wenn du den Ball dagegendrückst, bewegt sich das Blut. Du musst also bloß immer wieder Druck ausüben und loslassen, während der Arzt deinen Puls misst.«
»Bist du sicher?«, fragte ich.
Sie nahm mein Handgelenk mit zwei Fingern oben und dem Daumen darunter – genauso wie Dr. Scrivella es macht, wenn er meinen Puls kontrolliert. »Versuch’s mal. Einfach nur Druck ausüben und loslassen.«
Ich übte Druck aus und ließ wieder los. »Fühlst du was?«
Sie nickte. »Jepp. Eindeutig ein Pulsschlag.«
Das war super. »Und wie schnell muss ich es machen?«
»Sechzig Mal pro Minute wäre ein guter Schnitt«, sagte sie. »Und außerdem ziemlich praktisch. Benutz einfach deine Uhr.«
Ich sah auf meine Uhr und presste jedes Mal den Ball in meine Armbeuge, wenn der Sekundenzeiger sich bewegte. Nach einer Weile sagte Abigail: »Perfekt. Du hast einen Puls.«
»Danke. Ich wünschte, es wäre genauso leicht, einen richtigen Puls zu bekommen.«
Abigail umfasste mein ganzes Handgelenk. »Das wirst du, Nathan. Ich glaube wirklich, dass der Prozess reversibel ist. Eines Tages wirst du wieder einen Puls und einen Herzschlag haben und alles. Irgendwie. Auf irgendeine Weise.«
»Und einen Geruchssinn«, sagte Mookie und grinste mich an.
»Du hast doch jetzt nicht etwa …«, sagte ich.
»Oh nein, er hat.« Abigail hielt sich die Nase zu und trat einen Schritt von Mookie weg. »Gott sei Dank waren wir nicht drinnen.«
Mir war egal, was Mookie getan hatte. Ich war glücklich, für meinen Arzttermin einen Puls zu haben. »Jetzt habe ich also die richtige Körpertemperatur und einen Puls. Dann brauche ich nur noch einen Herzschlag.«
»Keine Sorge«, sagte Abigail. »Ich lass mir was einfallen.«
»Das hoffe ich. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Mein Termin ist gleich nach der Schule.«
»Ich finde ja immer noch, du solltest einfach krank
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