High - Genial unterwegs an Berg und Fels
zu dürfen.
Dann fanden wir, wofür wir hierher geflogen waren.
Die Klippe, die unser Meisterstück werden sollte. Musste.
Sie war höher als die anderen Klippen, und jedes Kind mit Horrorfilmerfahrung hätte hier den krummen Schädel eines Monsters erkannt. Auf einem gedrungenen Hals saß ein zerklüfteter Überhang, der in eine völlig glatte Passage überging, an deren oberem Ende, in etwa 18 bis 20 Meter Höhe, die Schlüsselstelle der Route saß. Hier brauchte es einen unmöglichen Zug, einen Sprung nach oben, und wenn du den Griff am Ende der Tour nicht erwischst, fliegst du eine halbe Ewigkeit lang hinunter, ins Wasser, das nach diesem Fall hart ist wie ein Hubschrauberlandeplatz.
Cédric klettert bis nach oben. Versucht den Sprung. Fällt.
Nina fällt knapp vor dem Sprung.
Ich bin an der Reihe, und ich genieße die Tour bis zu der Schlüsselstelle. Der Zug hat fast zwei Meter … Ich setze die Füße hoch, auf zwei winzige Tritte, so dass ich in der Wand hocke wie ein Hase. Ich hole mit dem ganzen Körper Schwung.
»Jetzt«, denke ich, ziehe mit den Händen kräftig an und katapultiere mich mit den Füßen nach oben.
Aber ich berühre den Griff nicht einmal.
Ich stehe einen Augenblick in der Luft wie Duffy Duck, der beim Schlafwandeln über den First seines Hauses hi nausgelaufen ist. Dann zieht es mich nach hinten, die Drehung des Sprungs hat mich aus der Balance gebracht, und meine Versuche, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, um nicht allzu hart auf dem Wasser aufzuschlagen, bringen nichts. Gerade als ich beschließe, mich jetzt langsam vor dem Aufprall zu fürchten, ist er schon da.
Klatsch.
Und das Mitgefühl meiner Zuschauer: Uuuuuuh.
Ich tauche vielleicht fünf Meter tief ins Wasser ein, und als ich die weißen Luftblasen über mir aufsteigen sehe, fällt mir auf, dass ich gar nicht Luft geholt habe. Mein Brustkorb wird eng und ich rudere mit wachsender Panik nach oben und denke: »Jetzt können mich die anderen rausfischen …«
Ich bin am Limit. Aber ich schaffe es dann doch allein.
Über Wasser sortiere ich, was ich gerade spüre.
Weh. Es tut weh.
Der ganze Körper brennt. Ich brauche ein Kilo Sonne und ein bisschen Ruhe, um mich zu erholen.
Als ich wieder klar zu denken beginne, fällt mein Blick auf die Monsterklippe.
Nein, denke ich selbstbeschwörend, du machst mir keine Angst.
Den restlichen Tag verbringe ich an der Reling. Unser Bootsführer, cooler Typ, zeigt mir, wie man mit Haken, Faden und einem Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten fischt. Als Köder nimmt er die Muscheln, die knapp über dem Wasserspiegel an den Klippen kleben, klopft sie mit dem Schraubenschlüssel auf und hängt sie an den Haken. Es dauert keine fünf Minuten, bis ein Fisch angebissen hat. Schöne Exemplare. Leider müssen sie jetzt in die Kühlbox.
Ein paar Fische später lege ich mich wieder auf den blauen Verschlag und genieße die Hitze.
Als wir am nächsten Tag ins Boot steigen, sage ich: »Jetzt probieren wir es aber schon noch einmal, oder?« Das kommt nicht als Frage rüber, sondern als Kursanweisung an unseren Bootsführer.
Ich steige ein und klettere ruhig bis zur Schlüsselstelle. Als ich da bin, merke ich, dass ich bestimmt nicht noch einmal den Abflug von gestern machen will. Ich scanne die Wand und mir kommt eine Idee. Ich weiß, dass der Fels zwei Meter links von mir etwas mehr Struktur hat. Kleine Löcher und Leisten. Ich greife mit der rechten Hand über den Kopf, in ein Zweifingerloch, mache mit der linken einen weiten Zug nach links auf eine kleine Leiste, greife mit der Rechten in ein anderes Zweifingerloch, finde mit der linken einen Zwischengriff, um die Füße positionieren zu können, dann ein Schnapper nach oben, zum letzten Griff. Ich bin oben.
Wow.
Unten applaudieren die Kollegen. Mich hingegen erwischt gerade eine ernüchternde Einsicht: Ich muss da auch wieder runter.
Hinunterklettern geht nicht, man muss springen, 20 Meter, mindestens.
Ich bin doch kein Cliffdiver. Ich halte mich mit beiden Händen am Fels fest und überlege, was das für ein Gefühl ist, das mich da gerade durchströmt.
Ist das etwa Angst?
Unten rufen die anderen im Chor: »Un, deux, trois.«
Was bleibt mir übrig. Ich atme tief ein, mache die Augen zu und springe.
Acht
Wieder zu Hause in Innsbruck, dachte ich an nichts anderes als an den Weltcup.
Einmal mehr war ich zu jung.
Damals besagte die Regel, dass erst im Weltcup starten darf, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat. Dass ich im
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