High - Genial unterwegs an Berg und Fels
August Geburtstag habe, stellte sich plötzlich als echter Nachteil heraus, denn im August war der 2006er Weltcup quasi vorbei. Reini intervenierte beim Vizepräsidenten des Internationalen Kletterverbands, Helmut Knabl, und der machte sich dafür stark, dass die Regel geändert wurde. Nicht der Geburtstag sollte in Zukunft über die Startberechtigung entscheiden, sondern das Geburtsjahr. Allein die Hoffnung, als 15jähriger in den Weltcup einsteigen zu dürfen und mich mit den besten der Besten messen zu können, setzte mich unter Strom.
Ich trainierte wie der Teufel. In Innsbruck war 2000 das Kletterzentrum Tivoli eröffnet worden, dort trainierten nicht nur Reinis Talente, sondern viele Weltcupkletterer, so dass ich mir ein ganz gutes Bild von deren Stärken und Schwächen machen konnte. Einige von ihnen kannte ich auch vom Klettern am Fels, und mit vielen war ich befreundet. Ich wusste über ihren Kletterstil Bescheid, und ich bildete mir ein, das, was sie konnten, auch zu können. Nicht nur ich war ungeduldig. Auch Reini und eine ganze Reihe interessierter Kletterfanatiker warteten auf den Ausgang der Sitzung des Internationalen Kletterverbands. Am Abend der Sitzung läutete bei uns zu Hause das Telefon.
Reini am Apparat: »Was machst am 28. April, David?«
»Das weiß ich doch heute noch nicht.«
»Doch. Du startest beim Weltcup in Puurs.«
»Puurs? Wo zum Teufel ist Puurs?«
»In Belgien. Du solltest in Geografie besser aufpassen. Das wirst du in Zukunft nötig haben.«
Also gut. Puurs ist eine Gemeinde in der Provinz Antwerpen. Wenige Kilometer nördlich mündet die Rupel in die Schelde. Sonst noch was, Reini?
Ja. Reini musste sich ebenso umstellen wie ich. Was als Spaßprojekt begonnen hatte, war plötzlich nicht mehr Spaß allein. Die besten der Welt. Und wir. Auch Reini musste begreifen, dass es jetzt galt, alle Kräfte zu mobilisieren. Dass er Trainer eines Athleten war, der sich immer darüber aufgeregt hatte, dass im Europacup die Routen viel zu leicht geschraubt waren, und der von Erfolg zu Erfolg spaziert war. Was waren diese Erfolge wert? Sollten wir erwarten, dass ich auch bei meinem ersten Weltcup gleich aufs Stockerl steige, oder musste er mich schonend darauf vorbereiten, dass zwischen meiner heilen Wunderkind-im-Europacup-Welt und dem Weltcup doch eine größere Kluft lag, als ich insgeheim hoffte?
Das Problem war: Reini wusste es selbst nicht. Ich wusste es nicht. Niemand wusste es. Aber ich wusste, dass am 28. April in Puurs ein Junge am Start stehen würde, der lieber in die Wand beißt, als dass er vorzeitig aufgibt.
Wenig später lernte ich Peter Reinthaler kennen.
Peter war mir schon öfter aufgefallen. Er war ein netter Typ aus Imst, immer in Turnschuhen und mit einer sympathischen Anti-Frisur. Er tauchte oft in der Halle auf, weil er sich fürs Klettern interessierte, aber er interessierte sich auch dafür, die guten Kletterer mit guten Firmen zusammenzubringen, und das interessierte wiederum mich.
Ich hatte schon gehört, dass Peter den Fischhuber Kilian und die Eiter Angy, eine Kollegin aus Imst, mit Red Bull zusammengebracht hatte. Red Bull engagierte sich seit Jahren im Extremsport, und es kursierte damals die Nachricht, dass Red Bull eine neue Abteilung mit Sportlern und eigener Betreuung aufbauen wollte. Als Peter mich fragte, ob ich mit ihm nach Fuschl fahren würde, um Robert Trenkwalder kennenzulernen, einen ehemaligen Betreuer der österreichischen Skinationalmannschaft, der inzwischen für Red Bull arbeitete, sagte ich sofort zu.
Trenki gefiel, was ich gemacht hatte, und wir machten einen ersten Vertrag. Damit war ich ein »Red Bull Athlet«, Mitglied des neu gegründeten »Special Athletes Project«, dem einige Skifahrer, aber auch Sportkletterer angehörten.
So schnell war ich meinem Traum von einer Karriere als Profikletterer näher gekommen, und Peter war von jetzt an mein Manager. Wobei »Manager« den Typen überhaupt nicht richtig beschreibt. Er ist ein Freund, zwar schon uralt, fast fünfzig, aber durchaus jung geblieben, und ich merkte sehr schnell, dass er sich überhaupt nichts scheißt. Weder beim Radlfahren, worin er, zugegeben, ein echter Seniorenmeister ist, noch beim Einparken seines Autos. Sagen wir so: Peter findet immer und überall einen Parkplatz – die Frage ist nur, ob er später sein Auto noch am selben Platz vorfindet.
Kletterwettkämpfe finden in drei Disziplinen statt: Lead, Bouldern und Speed. Speed, die Herausforderung, eine Wand
Weitere Kostenlose Bücher