High Heels im Hühnerstall
musterte Sophie eindringlich. »Warum seid ihr alle da? Das ist ungewöhnlich. Gehen wir zum Teetrinken in Ye Olde Tea Shoppe? Seid ihr deshalb alle da? Das würde ich verstehen.«
»Das ist ja ein hübscher Hut, und normalerweise würden wir Tee trinken gehen«, begann Sophie und sah Louis an. »Aber Daddy und ich müssen jede Menge besprechen, deshalb ist es wahrscheinlich besser, wenn wir nach Hause gehen …«
»Bitte, bitte, bitte! «, bettelte Izzy. »Ich bin am Verhungern, ich brauche ein Scone!«
»Du brauchst Gemüse und Obst und solche Sachen«, erklärte Sophie und hoffte, dass die echten Mütter, die noch auf dem Schulhof standen, es mithörten und realisierten, dass sie, obwohl sie selbst kein Kind zur Welt gebracht hatte, durchaus wusste, wie wichtig es war, dass ein Kind täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu sich nahm – auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie man das bewerkstelligte.
»Erdbeeren sind Früchte«, hob Bella hervor. »Erdbeermarmelade ist Obst.«
»Wir können doch einen Kuchen essen, oder?«, fragte Louis und lächelte Zustimmung heischend, während er Sophie eine Haarsträhne hinters Ohr schob. »Ich freue mich, dass du so wild darauf bist, Finestone zu sehen, aber die Fotos können noch ein bisschen warten. Es ist schön, wenn wir alle zusammen sind.«
Sophie versuchte, sich vorzustellen, noch länger so tun zu müssen, als wäre alles in Ordnung, und das konnte sie nicht.
»Nein, Louis.« Sophie zögerte die Worte auszusprechen, die unvermeidlich eine Kettenreaktion auslösen würden. »Ich muss mit dir über etwas anderes reden.« Ihr ernster Tonfall traf ihn unvorbereitet.
»Was denn?«, fragte er argwöhnisch.
»Nicht hier«, erwiderte Sophie und blickte sich in dem inzwischen fast leeren Schulhof um, während sie sich Bellas Blick unangenehm bewusst wurde.
»Sophie«, Louis’ Tonfall verdüsterte sich, und sein schmeichelndes Lächeln verschwand sogleich, »wenn es nicht die Hochzeit ist, die dir Sorgen macht, was dann? Bitte sag es mir einfach, ich bin nicht in der Stimmung für Spielchen.«
Sophie sah zu den Mädchen hinüber. Zum Glück hatte Izzy sich Bellas Hut aufgesetzt und kreischte vor Lachen, während sie vor der wütenden Bella davonlief, die ihr nachrannte. Vielleicht war ein Schulhof nicht gerade der beste Ort, aber welcher war das schon, um Louis mitzuteilen, dass er seit über zwanzig Jahren ein Kind hatte, von dem er nichts wusste?
»Ich habe Wendy Churchill auf der Hochzeitsmesse getroffen«, sagte Sophie und neigte sich zu Louis, sodass sie kaum mehr als zu flüstern brauchte. Sie hielt inne, atmete seinen Duft ein und spürte die Wärme seiner Nähe. Aus irgendeinem Grund hatte sie den Eindruck, es wäre schwieriger, ihm so nahe zu sein, nachdem sie ihm mitgeteilt hatte, was sie wusste. »Sie war dort mit ihrem Sohn. Sie hat einen zwanzigjährigen Sohn, Louis.«
Sophie wartete ab, doch Louis’ Männergehirn stellte keine Zusammenhänge her.
»Sie muss mit fünfzehn schwanger geworden sein.« Sophie sah Louis in die Augen, bevor sie ihre Lippen an sein Ohr legte und flüsterte: »Er sieht genauso aus wie du. Louis, er ist dein Sohn.«
Louis war mit weiten Schritten vom Schulhof geeilt und hatte damit klargemacht, dass ein Besuch in Ye Olde Tea Shoppe definitiv nicht in Frage kam. Nun waren sie zu Hause und Sophie bereitete den Mädchen das Essen zu, während Louis draußen im Garten stand und auf seine verwelkenden Blumenbeete starrte. Sophies Kochkünste hatten sich deutlich verbessert seit der Zeit, als sie den beiden zum ersten Mal das Abendessen gemacht hatte, das aus zwei zusammengemischten Mikrowellenmahlzeiten bestand, um Streitereien zu vermeiden. Jetzt konnte sie Würstchen braten und Kartoffelpüree zubereiten, ohne sich allzu sehr darauf konzentrieren zu müssen. Zugegebenermaßen lag es auch daran, dass die Mädchen ihren klumpigen Kartoffelbrei mochten, den Sophie lieber als »texturiert« zu bezeichnen pflegte.
Louis hatte geschwiegen, seit sie den Schulhof verlassen hatten, und es Izzy überlassen, das Schweigen mit ihrem wie üblich endlosen Bewusstseinsstrom zu füllen, gelegentlich unterbrochen von Bellas altklugen Bemerkungen wie »Feen leben in Talsenken, nicht in Wäldern, du Dummkopf« oder »Nein, die Zahnfee sammelt die abgeschnittenen Zehennägel nicht ein. Das macht natürlich die Zehennagelfee.«
Sophie hatte ihn nicht gedrängt, etwas zu sagen. Sie hatte keine Ahnung, was er dachte oder fühlte oder ob er
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