High Heels mit acht, Diaet mit neun
einer Kultur, in der Sexnicht mehr länger mit »Liebe machen« umschrieben wird. Bestenfalls wird er noch als »Sex« bezeichnet – in der Pornographie, vor der wir unsere Kinder inzwischen unmöglich abschirmen können, ist von »Knallen« oder »Nageln« die Rede.
Auch wenn dies ein Thema für ein weiteres Buch wäre: Jungen werden ebenfalls zu Opfern dieser sexualisierten Gesellschaft. Sie sehen sich einem zunehmenden Druck ausgesetzt, sich wie Pornostars zu gebärden und wie männliche Models auszusehen. Ich sage das hier auch, weil ich Angst habe im Hinblick auf die Beziehungen meiner Töchter zu Männern, denen sie bislang noch nicht begegnet sind und bei denen sich pornographische Bilder unauslöschlich eingeprägt haben. Dort werden die Frauen als »Nutten« und »Schlampen« dargestellt, mit denen ein Mann keine wirkliche Beziehung aufbauen kann.
Das haben meine Töchter nicht verdient – und Ihre auch nicht.
Teil 1
»Mama, Papa, kann ich mir bitte die Nase korrigieren lassen?« Es gibt immer mehr »X-Faktor«-Eltern
Es ist gerade erst 10:00 Uhr morgens in der Harley Street, doch die Türen einer der größten Kliniken für plastische Chirurgie in London sind bereits weit geöffnet. An der Rezeption werden die Patienten von einer Reihe gleich aussehender Empfangsmitarbeiterinnen in schwarzen Hosenanzügen und mit rotem Lippenstift begrüßt. An den Kunden, die sich auf die beigefarbenen weichen Sitzgelegenheiten verteilt haben, fällt zunächst einmal auf, dass sie mehrheitlich damit beschäftigt sind, sich durch die Stapel von Hochglanzmagazinen hindurchzublättern, die auf Tischchen bereitliegen. Meine Aufgabe heute Morgen besteht darin, sie zu fragen, warum sie hier sind.
Die Zahl der Menschen, die sich in Großbritannien einer Schönheitsoperationunterziehen, ist so hoch wie noch niemals in der Geschichte. Laut den Angaben des Marktforschungsunternehmens Mintel ist der Markt für plastische Chirurgie allein in den letzten beiden Jahren um 17 Prozent gewachsen, mit einem Finanzvolumen von geschätzten 2,9 Milliarden Euro. 7 Aber warum genau hat das Bedürfnis, »perfekt« auszusehen, solche epidemischen Ausmaße angenommen – und wie kommen die Menschen in einer Zeit wirtschaftlicher Rezession und hoher Arbeitslosigkeit an das nötige Geld? Als ich mich in dem Wartezimmer umsehe, das sich langsam füllt, fällt mir vor allem auf, dass viele der Frauen zwischen 17 und etwas über 20 Jahre alt sind.
Amelie – makellos geschminkt und rehäugig – erinnert mit ihrem zierlichen Gesicht und Körperbau an die junge Audrey Hepburn. Allerdings besitzt sie auch die kessen Brüste eines Glamour-Models, hervorgehoben durch ein hautenges schwarzes T-Shirt. Eigentlich arbeitet sie als Kosmetikverkäuferin in einem nahegelegenen Kaufhaus. Heute ist sie zu einer Nachuntersuchung hier, nachdem man ihre Oberweite von 81,3 Zentimetern um zwei Körbchengrößenvergrößert hat, »wegen des Selbstvertrauens«. Die Kosten von 5600 Euro für diese Operation machen wahrscheinlich beinahe ein Viertel ihres Jahresgehaltes aus. Aber wie so viele ihrer Generation, die es sich nicht leisten können, auszuziehen, lebt Amelie bei ihren Eltern – und die haben ihr die Operation bezahlt. »Ich habe ihnen gesagt, ich möchte das machen lassen, und sie haben gesagt: ›In Ordnung, wenn es das ist, was du willst‹«, erklärt Amelie sachlich, so als hätten ihre Elterneine Anzahlung auf ihr erstes Auto vorgestreckt. »Sie waren nicht besorgt. Sie haben gesagt: ›Wenn du dich dann besser fühlst, dann ist das in Ordnung‹.«
Auf der anderen Seite des Raumes treffe ich auf die 20-jährige Elaine. Mit ihrem Zungenpiercing und der engen Jeans, die in angesagten Boots steckt, sieht sie eher wie ein Mitglied einer Girlsbandan seinem freien Vormittag aus und weniger wie die Rechtsanwaltssekretärin, die sie ist. Kürzlich hat Elaine eine Nasenkorrektur vornehmen lassen, auch die zum Teil mit einem elterlichen Bankkredit bezahlt. »Ich weiß, es klingt ziemlich komisch, aber mit meiner alten Nase war alles in Ordnung«, erklärt sie. »Sie sah auf Fotos einfach ein bisschen komisch aus. Meine Freundinhat es machen lassen, als sie 18 war. Und außerdem macht es doch jeder. Die Leute in den Wartezimmern werden heute immer jünger. Sechs meiner Freundinnenhatten Brust-OPs. Eine hat sich ihre Körbchengröße auf F vergrößern lassen, und sie liebt es, dass sich alle Männer nach ihr umdrehen. Sobald du von deinen
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