High Heels und Gummistiefel
OBERPEINLICH.«
Wie typisch für Chrissie, alles persönlich zu nehmen und total zu übertreiben. Was machte es schon, wenn Isabelle nicht auf Hüte stand? Wahrscheinlich war sie stattdessen verrückt nach Schuhen.
»ALSO WAS RÄTST DU MIR?«
»KNALLHARTES BONDGIRL. PUSSY GALORE.«
»?«
»LEDER-CATSUIT.«
»ZU SCHWITZIG. ++HEISS IN PARIS.«
»WIE BRAUN BIST DU LIEBLING?«
»+. SOLARIUMBRÄUNE HÄLT NOCH.«
»DANN ALLES KLAR. VOLLES DALLAS-KITSCHPRO-GRAMM. NECKHOLDER-TOP, WEISSER CHEERLEADER-MINI, COWBOYSTIEFEL IN BRONZE-METALLIC. TRÈS CHIC.«
»TOLL, DANKE.«
»HAARE TOUPIEREN.«
»LOGISCH. ALLES KLAR BEI EUCH?«
»DER HIMMEL AUF ERDEN. MUSS SCHLUSS MACHEN, JULES UND ICH GUCKEN MTV CRIBS. MWAH!«
Ihr erster Sparkle-Blog konnte also von Party-Klamotten handeln. Hervorragend: Sie würde sich amüsieren und gleichzeitig wichtige Recherchen betreiben. Ihr Pariser Leben nahm langsam Gestalt an.
3
Isabelle
»Oh, ich hab’s! Ich könnte Totengräberin werden«, verkündete Jules und hielt ihren Löffel hoch.
»Mmm, ja, das kann ich mir absolut vorstellen. Nur, ich glaube wirklich, da müsstest du als Lehrling anfangen. Das ist doch ein richtiges Handwerk, nicht wahr? Außerdem, muss man dafür nicht Kirchendiener sein oder so was?«
»Weißt du, das könnte ich nicht – ich bin Heidin.«
»Natürlich, Darling. Aber, hach, das wäre umwerfend, stell dir doch mal vor, zwischen all diesen wunderschönen Grabsteinen und Grüften herumzuschweben, so was von total Buffy die Vampirjägerin.«
»Na ja, vielleicht.« Jules lächelte ein bisschen, den Mund voller Müsli und Weizenkleie.
Chrissie half Jules gerade beim gemeinsamen Samstagmorgenfrühstück dabei, eine Entscheidung bezüglich ihres nächsten Karriereschritts zu treffen. Wie üblich um diese Zeit waren beide en déshabillé; Jules in ihrem violetten Samtschlafrock und Chrissie in seinem flauschigen weißen Bademantel. Jules’ lange Stirnfransen waren mit einer Haarklemme aus Plastik festgesteckt, wahrscheinlich damit sie sehen konnte, was sie aß. Müsli, wie immer. Das schien alles zu sein, was sie zu sich nahm. Chrissie, der an einer halben Grapefruit herumstocherte, hatte sich eine grüne Schlammmaske ins Gesicht geschmiert. Raven, die Katze, saß auf der Anrichte und putzte sich hinter den Ohren. Isabelle, die ebenfalls am Küchentisch saß, beteiligte sich nicht an der lächerlichen Unterhaltung,
die sie insgeheim reichlich geschmacklos fand. Sie blieb vollkommen stumm, während sie abwechselnd an ihrem schwarzen Kaffee nippte und ein kleines Stück von ihrem getoasteten Baguette abbiss und dabei die Notizen durchging, die sie sich gestern in der Bibliothek gemacht hatte.
Jules war gegenwärtig »in einer Übergangsphase zwischen zwei Jobs.« Davor hatte sie in einem Pub, in einer Videothek und in einem Klamottenladen gearbeitet, doch nichts davon hatte ihr zugesagt. Sie war auf der Suche nach etwas Coolerem, etwas, das mehr Atmosphäre hatte. Das alles hatte irgendetwas damit zu tun, dass Jules etwas war, das man als »Goth« bezeichnete, ein Informationsbröckchen, das Chrissie geliefert hatte. Es war lebenswichtig, dass Goths ständig Schwarz trugen, hatte er gesagt, sonst könnten sie einer spontanen S elbstentzündung zum Opfer fallen. Das beeindruckte Isabelle nicht besonders, die Jules’ üblichen Aufzug – klobige Motorradstiefel, düstere Kleidung (zu der normalerweise irgendwelche seltsamen Auswüchse aus Netzstoff und Spitze gehörten) und dramatisches Make-up, mit dem sie aussah wie ein Waschbär – beklemmend und vor allem schrecklich unweiblich fand. Und dazu noch hässlicher schwarzer Nagellack, bemerkte Isabelle aus den Augenwinkeln. Q uelle horreur!
»Ehrlich gesagt«, brummte Jules in ihrem üblichen ausdruckslosen Tonfall, »hab ich einen Superjob angeboten bekommen.«
»Darling, das ist ja fantastisch. Wo denn?«
»In einem Fetisch-Laden in Soho.«
Isabelle vergaß, dass sie gar nicht hingehört hatte. Erstaunt blickte sie auf. »Du meinst... ein Sexshop?«
Ungerührt sah Jules sie an. »Genau. Das gefällt mir ja daran. Scheint genau das Richtige zu sein, um den Mann meines Lebens kennenzulernen.«
Chrissie prustete.
Jules stand auf, nahm ihre leere Schale und ihren Becher und ging langsam zum Spülbecken hinüber. Es war nie wirklich leicht, dachte Isabelle bei sich, dahinterzukommen, ob ihre neue Mitbewohnerin etwas ernst meinte oder nicht. Sie trank ihren Kaffee aus und schob ihre Notizen zu einem
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