Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Ti’Paul, den das Ganze faszinierte, war zu seiner Schwester getreten. In diesem Augenblick tauchten zwei Offiziere und einige Soldaten des Highlander-Regiments auf. Als Isabelle sie erblickte, unterdrückte sie einen Aufschrei und verbarg das lange Messer rasch in den Falten ihres Rocks. Sichtlich verwundert wandte sich einer der Offiziere ihr zu, während der andere sich über den verletzten Franzosen beugte.
»By God! Lady, ’t is no place for a woman and a child to be! «
»Diese Männer sind verletzt, Monsieur«, stotterte sie mit vor Angst aufgerissenen Augen. »Sie müssen versorgt werden.«
»Aye, so I see. Das sehe ich. Das ist der Krieg, Madam.«
Mit einem Mal schien es in Isabelles Kopf nichts anderes mehr zu geben als das Pfeifen und die Detonationen der Geschosse, die Gewehrschüsse und Schreie. Die junge Frau wurde sich plötzlich mit aller Deutlichkeit der Lage bewusst, in welche die Naivität ihres Bruders und ihre eigene Unbesonnenheit sie gebracht hatten: Sie beide befanden sich mitten auf einem Schlachtfeld! Der Offizier erteilte Befehle in seiner Sprache. Soldaten postierten sich neben ihr und Ti’Paul.
»Was habt Ihr hier zu suchen, Madame?«, verlangte der Offizier in korrektem Französisch zu wissen.
»Also … mein Bruder ist weggelaufen, und ich habe ihn hier gefunden, Monsieur.«
Der Offizier sah das Messer, das Ti’Paul immer noch in den Händen hielt, und konfiszierte es. Isabelle betete zum Himmel, er möge die bluttriefende Waffe, die sie selbst versteckte, nicht entdecken. Dann würde man sie des Mordes an dem Schotten bezichtigen.
»Euer Bruder? So, my young lad! Ye should go back home. Macleod, escort the lady and the boy.« Du solltest wieder nach Hause gehen, mein Junge. Macleod, Ihr begleitet die Dame und den Knaben.
»Was werdet Ihr mit dem französischen Offizier machen?«, wagte Isabelle zu fragen.
»Keine Angst, Madame. Man wird ihn versorgen. Though ye is now a prisoner of war, aye! « Obwohl er jetzt ein Kriegsgefangener ist, jawohl!
Man eskortierte Isabelle und Ti’Paul bis in die Nähe des Saint-Jean-Stadttores. Dann kehrten die Soldaten zurück, um die Verfolgung der kanadischen Milizionäre aufzunehmen. Die Kämpfe waren noch nicht vorüber. Die junge Frau hoffte nur, dass Nicolas und ihren Brüdern nichts zugestoßen war. Und sie wünschte sich, man möge den französischen Offizier mit der Achtung behandeln, die ihm seinem Rang nach zustand. Was den schottischen Soldaten anging, so war sie ihm aus tiefstem Herzen dankbar. Vielleicht würde sie irgendwann Gelegenheit haben, ihm das persönlich zu sagen. Ti’Paul zupfte an ihrem Rock. Sie drehte sich um und maß ihn mit einem vernichtenden Blick.
»Du …! Zurück nach Hause!«
»Isa …«
»Ich werde Papa nichts sagen. Aber tu so etwas nie, nie wieder! Durch deine Schuld könnten wir jetzt beide tot sein, Schwachkopf! Diese Männer spielen keinen Krieg, sie führen ihn wirklich!«
»Museau war weggelaufen. Ich wollte ihn finden, bevor ihn die Engländer fangen und kochen würden …«
»Wenn Museau so dumm ist, ihnen zwischen den Beinen herumzulaufen, dann ist er selbst schuld!«
Isabelle war ärgerlich und aufgewühlt. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie den blutigen Dolch immer noch in der Hand hielt, und verzog das Gesicht. Mit festem Schritt ging sie zu dem nächstbesten Regenfass, das sie sah, und steckte den Arm hinein. Erst als sie die jetzt saubere Waffe herauszog, fiel ihr das kunstvolle Schnitzwerk auf, das den hölzernen Griff schmückte. Ungewöhnliche, verschlungene Ornamente bildeten Muster von wundersamer Schönheit. Aus den unentwirrbar gewundenen Motiven traten die Köpfe und Pfoten von Tieren – Hunden möglicherweise – hervor.
»Gibst du mir das Messer?«, fragte Ti’Paul. »Ich habe meines verloren.«
Aus ihren Überlegungen gerissen, wandte die junge Frau sich ihrem Bruder zu und schenkte ihm einen vorwurfsvollen Blick, angesichts dessen er die Augen niederschlug.
»Diese Waffe gehört uns nicht, Ti’Paul! Ich werde sie ihrem Besitzer zurückgeben … nun ja, falls mir das möglich ist. Verstanden?«
»Ja … schon gut.«
Isabelle und Ti’Paul kehrten nach Hause zurück und setzten den ganzen Tag keinen Fuß mehr nach draußen. Die Familie Lacroix hatte immer noch nicht ganz begriffen, was da vor sich ging. Wo blieben Oberst de Bougainville und seine dreitausend Männer? Gewiss würden sie kommen und die Engländer bis zum Steilhang und zum Fluss
Weitere Kostenlose Bücher