Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Wagen holperte rasch an Isabelle vorbei und drohte jeden zu zermalmen, der nicht aus dem Weg sprang. »Wir werden alle sterben«, murmelte die junge Frau, plötzlich überwältigt von Todesangst. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und rannte geradewegs auf das Saint-Jean-Stadttor zu. Die dort postierten Wachen waren so mit dem unablässigen Kommen und Gehen beschäftigt, dass sie keine Notiz von ihr nahmen. So konnte sie die Stadt ohne Probleme verlassen.
Es sah aus, als wäre der graue Himmel auf die Höhen außerhalb der Stadtmauern herabgefallen. Eine dicke Rauchwolke trieb über die Hochebene und verbarg das Massaker. Die Kanonenschüsse hallten unheimlich. Ihr Herz begann genauso rasch zu schlagen wie das der panischen Männer. Sie legte beide Hände darüber, um es zu beruhigen, doch vergeblich. Dann holte sie tief Luft. Der Schwefel drang ihr in die Lungen, so dass sie husten musste.
»Ti’Paul? Wo steckst du?«
Soweit ihr Blick reichte, hatte der Tod sein Werk getan. Während noch das Blut tapferer Soldaten das Ende einer Ära besiegelte, hatten die Sieger in ihrem Hass das Urteil über die Regierung von Neufrankreich bereits gesprochen.
»Nicolas des Méloizes«, flüsterte sie betrübt. »Nun seht Euch an, was sie aus unserem Land machen! Und wenn ich den Rest meines Lebens damit zubringen müsste, ich werde mit hoch erhobenem Haupt wieder aufbauen, was Frankreich hat zusammenbrechen lassen.«
Der Rausch, der ihn im Kampf stets erfasste, trieb Alexander voran. Seine Klinge senkte sich hier in eine Brust und da in eine Flanke, durchtrennte einen Nacken, eine Kehle. Er war über und über mit Blut bespritzt. Ein französischer Fähnrich rannte mit seiner Flagge vor ihm davon. Sofort nahm Alexander die Verfolgung auf und schlug mit seinem Schwert das hohe, gelbe Gras beiseite. Die beiden Männer rannten auf ein kleines, von einer Holzpalisade umgebenes Bauernhaus zu. Der Franzose verschwand auf der anderen Seite der Barriere. Alexander beschleunigte seinen Schritt. Er wollte sich die Gelegenheit, eine so bedeutende Trophäe einzuheimsen, nicht entgehen lassen.
Der Offizier strauchelte, und die Fahne fiel ihm aus den Händen. Er robbte über den schlammbedeckten Boden und streckte die Hand danach aus. Doch Alexander, der ihm dicht auf den Fersen war, holte ihn genau in dem Moment ein, als er die Hand darauflegte. Er setzte dem Fähnrich die Schwertspitze unters Kinn und starrte den Mann herausfordernd an. Schweigend musterten die beiden einander. Als sich Alexander sicher war, dass der Offizier nicht versuchen würde, ihn anzugreifen, richtete er den Blick auf die zerrissene, fleckige Fahne: eine schöne Beute, die ihm gewiss Ehre eintragen würde. Er entzifferte das Motto, das darauf geschrieben stand. Per mare, et terras. Alexander konnte es kaum fassen; das war ja die Devise seines Clans! Zutiefst aufgewühlt senkte er das Schwert und trat einen Schritt zurück.
»Sir, ye are my prisoner. Are ye hurt? Ihr seid mein Gefangener, Sir. Seid Ihr verletzt?«
Der Mann, der damit gerechnet hatte, dass Alexander ihn töten würde, starrte ihn mit offenem Mund an.
»Seid Ihr verletzt?«, wiederholte Alexander in stockendem Französisch.
Langsam schüttelte der Fähnrich den Kopf. Er sah gut aus und schien nicht älter als zwanzig zu sein. Seine ein wenig arrogante Haltung ließ vermuten, dass er von Adel war. Mit einer gemessenen Bewegung schob Alexander eine braune Haarsträhne weg, die vor seinem Gesicht hing. Der andere sah ihn ohne mit der Wimper zu zucken aus dunklen Augen an.
»Steht auf und ergebt Euch.«
Der Offizier schickte sich an aufzustehen, doch dann erstarrte er und fixierte einen Punkt über Alexanders Schulter. Da er an eine List glaubte, folgte der Highlander seinem Blick vorsichtig und erblickte Roderick Campbell und einen weiteren Landsmann, die einige Fuß hinter ihm standen. Langsam trat er zur Seite und achtete darauf, weder seinen Gefangenen noch Campbell aus den Augen zu lassen.
»Dieser Mann ist mein Gefangener. Er ist Offizier, und ich gewähre ihm den ehrenhaften Status eines Kriegsgefangenen…«
Campbell trat vor und setzte dem Fähnrich die Spitze seines Bajonetts auf die Brust. »Ehre? Die kannst du dir sonst wohin stecken, Macdonald! Der Hund von einem Franzosen bleibt hier. Ich kümmere mich um seine Fahne.«
»Kommt nicht in Frage! Wir haben Befehl, feindlichen Offizieren, die sich ergeben, das Leben zu lassen!«, versetzte Alexander gereizt.
Der junge
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