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Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Titel: Highland-Saga 03 - Schild und Harfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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und ihm beim Aufstehen zu helfen. Der Mann stieß ihn weg und legte ihm die Fahne in die Hände.
    »Bringt sie in Sicherheit. Ich würde euch nur aufhalten. Geht rasch! Es wird nicht lange dauern, bis weitere Engländer auftauchen. Wir müssen uns mit den Truppen, die wir noch haben, zurückziehen.«
    Die Indianer widersprachen. Der Offizier erhob die Stimme und setzte seine Autorität ein. Die Eingeborenen sahen einander ratsuchend an und zuckten die Achseln, als hielten sie ihn für verrückt. Derjenige, der die Fahne genommen hatte, erteilte den beiden anderen Befehle. Einer von ihnen beugte sich über den Schotten, der zu ihren Füßen lag, und griff in sein Haar. Mit einer schnellen, präzisen Bewegung schnitt er mit seinem kleinen Dolch die Kopfhaut ein und fuhr um den ganzen Schädel herum. Isabelle wandte entsetzt den Blick ab, während ihr Bruder einen angeekelten Schrei ausstieß, den sie mit ihrer Hand erstickte.
    »Nein, diesen nicht!«, schrie jemand.
    Von neuem sah sie auf die Szene, wobei sie es sorgfältig vermied, den skalpierten Mann anzuschauen. Der andere Wilde hielt das Haar des Schotten, der am Hals verletzt war, fest. Das Messer hing über seiner Stirn.
    »Ich verdanke diesem Mann, der mich gefangen genommen hat, mein Leben.«
    Der Indianer knurrte verstimmt. Er zögerte und ließ dann zu Isabelles großer Erleichterung den Kopf des Schotten fahren. Kurz darauf waren die drei Rothäute verschwunden. Die junge Frau erhob sich zögernd und lief dann zu dem Offizier, der, nach seiner Uniform zu urteilen, zu den Freikorps der Marine gehörte. Der Mann hielt einen Lederriemen in der Hand und war dabei, sich den Oberschenkel abzubinden. Verblüfft bemerkte er Isabelle.
    »Darf ich Euch helfen?«
    »Was macht Ihr hier? Das ist …«
    »Leichtsinnig?«, gab Isabelle lebhaft zurück und zog den Riemen zu. »Ich weiß. Versteht Ihr, mein kleiner Bruder hatte sich in den Kopf gesetzt, die Kolonie ganz allein zu retten. Erklärt Ihr ihm doch bitte, dass der wirkliche Krieg kein Spiel ist, und dass hier die Soldaten nicht aus Zinn gegossen sind.«
    Der Fähnrich lächelte. Dann verzog er das Gesicht, als sie seine Hose aufriss, um die Wunde freizulegen.
    »Ihr braucht einen Arzt.«
    »Wie ist Euer Name, Mademoiselle?«
    Die junge Frau schlug die grünen Augen zu ihm auf.
    »Isabelle Lacroix, Monsieur. Und der Eure?«
    »Fähnrich Michel Gauthier de Sainte-Hélène Varennes, aus der Kompanie von Deschaillons de Saint-Ours.«
    »Nun gut… Sehr erfreut, Monsieur Gauthier. Stützt Euch auf mich, ich werde Euch helfen …«
    »Nein, seht lieber nach, ob dieser Mann noch atmet.«
    »Wie bitte?«
    »Dieser Schotte dort hinten. Er hat mir das Leben gerettet. Ich möchte wissen, ob er noch lebt.«
    Isabelle wandte den Kopf zu dem mit einem Rock bekleideten Mann, der bäuchlings auf dem Boden lag, und erschauerte.
    »Bitte«, flehte Gauthier.
    Sie stand auf und näherte sich vorsichtig. Dann bewegte sie den reglos Daliegenden mit dem Fuß. Ein scharfes Pfeifen drang aus seinem Mund. Der Mann lebte… noch jedenfalls. Langsam strich sie die langen, schwarzen Haarsträhnen zurück, auf denen in dem blassen Licht der Sonne, die jetzt durch die Wolken brach, rötliche Reflexe spielten. Ihre Finger glitten über warme Haut. Sein Hals war violett angelaufen und stark geschwollen. Behutsam hob sie den roten Uniformrock an. In Höhe der Flanke war vorn auf der Weste ein großer feuchter Fleck zu erkennen. Die Kugel war auf der Vorderseite wieder ausgetreten. Wenn kein Organ getroffen war, müsste er die Verwundung überstehen, falls er die richtige Pflege erhielt. Doch es war immer noch denkbar, dass er vorher erstickte.
    Isabelle kehrte zu dem Offizier zurück und erstattete ihm Bericht über den Zustand des Soldaten. Daraufhin bat dieser sie, den Dolch, der immer noch zwischen den Rippen des anderen Schotten steckte, herauszuziehen.
    »Wenn man den Dolch dort findet, wo er jetzt ist, wird man diesen Mann des Mordes an einem Offizier seines Regiments anklagen und mit Sicherheit hinrichten. Das hat er nicht verdient.«
    Angewidert darüber, was er von ihr verlangte, zögerte sie.
    »Ich flehe Euch an …«
    Sie nahm sich zusammen, umfasste das Heft der Waffe, wandte den Kopf ab und zog. Der Dolch rührte sich zuerst nicht und ließ sich dann mit einem Mal ganz leicht herausziehen. Sie hatte einen Moment lang den Eindruck, als stürzten die Eingeweide des Toten zusammen mit dem Messer heraus, und schluchzte auf.

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