Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Ausdünstungen von Hunderten Verletzten mildern, die man ins Hospital geschafft hatte. Das Krankenhaus, das außerhalb der Stadtmauern lag, war von den Engländern requiriert worden.
Unentschlossen sah Isabelle immer noch zuerst auf den Lappen, dann zu den Verwundeten. Während der nächsten Tage oder Wochen würde es an Arbeit nicht fehlen. Die Nonnen schienen kaum noch zu wissen, wo ihnen der Kopf stand. Bestimmt würde es sie ablenken, sie ein wenig zu unterstützen. Außerdem würde sie so vielleicht etwas über Nicolas erfahren. Sie ergriff den Henkel des Eimers und ging zwischen den Verletzten hindurch, die in großer Zahl auf dem blanken Boden lagen, zum Ende des Saales. Man hatte noch nicht alle Feldbetten aufgestellt, die aus den königlichen Lagerhäusern geschickt worden waren. Die junge Frau kniete sich hin, nahm den Lappen und die Bürste und begann energisch zu schrubben.
Über der Arbeit vergaß sie die Zeit. Als es nach einigen Stunden dunkel zu werden begann und ihr Magen knurrte, legte Isabelle eine Pause ein. Sie war an solche groben Hausarbeiten nicht gewöhnt. Erschöpft und mit vor Müdigkeit brennenden Augen ließ sie sich schwer auf eine Bank im Refektorium fallen, die wundersamerweise frei war. Wie spät es wohl sein mochte? Bestimmt schon nach sechs Uhr abends! Jetzt hätte sie wirklich eine kleine Rast und einen Imbiss verdient. Sie hatte seit dem Frühstück nichts gegessen.
Sie lehnte sich an die Wand und gestattete sich einen Augenblick der Muße, ehe sie sich auf die Suche nach Schwester Clotilde machte. Durch das Stimmengewirr und das ständige Kommen und Gehen summte das Hospital wie ein Bienenstock. Alle Räume waren besetzt; das enge Zusammenleben von Nonnen und Soldaten bot ein eigenartiges Bild. Es gab so viele Verletzte, dass man sie sogar in den Lagerschuppen, den Ställen und anderen Nebengebäuden untergebracht hatte. Es fehlte an Platz, an Medizin und sogar an Verbandmaterial. Im ganzen Krankenhaus gab es bestimmt keinen einzigen Unterrock und kein einziges Laken mehr, die man noch zu Binden hätte zerreißen können.
Isabelle hatte gehört, dass der englische General auf dem Schlachtfeld gestorben war. Dieser Mann hat seinen Sieg wirklich nicht auskosten können! , dachte sie bei sich. Man hatte die Leiche des großen Mannes einbalsamiert, ihn dann durch ein Ehrenspalier zum Fluss hinuntergetragen und an Bord eines der Schiffe gebracht. Ein wenig betrübt fragte sie sich, ob General Montcalm bei seiner Bestattung wohl ebenso viel Achtung und Ehren zuteilwerden würden. Und außerdem, wo würde man ihn wohl begraben?
Sie ließ den Blick durch den Saal schweifen: rote, weiße oder blaue Uniformröcke, schwarze Roben, blutbefleckte Drillichschürzen, karierte Laken. Aus diesem Farbenwirbel stiegen Schreie und Stöhnen auf, Befehle und Gebete. Es gab nicht genug Ärzte für so viele Verwundete. Daher wurden sie zuerst von Schwestern, die sich darauf verstanden, versorgt. War der Fall schwierig, musste man darauf warten, dass ein Chirurg sich frei machte. Doch wenn der Arzt dann ans Krankenbett kam, konnte er oft nur noch den Tod feststellen. Und es gab viele Tote!
Isabelle versuchte, sich diskret nach Nicolas zu erkundigen, indem sie zwei verletzte französische Gefangene befragte. Doch niemand wusste zu sagen, wo der junge Mann sich aufhielt. Isabelle begann sich Sorgen zu machen und war enttäuscht. Obwohl sie wusste, dass Nicolas’ militärische Pflichten vor allem anderen Vorrang hatten, hätte sie sich doch gefreut, eine kurze Nachricht von ihm zu erhalten. Dann hätte sie wenigstens gewusst, dass er heil und gesund war. Sie erkundigte sich auch, ob jemand den Offizier Michel Gauthier de Varennes gesehen habe, und man erklärte ihr, er befände sich in einem der ruhigeren Zimmer, welche die Ehrwürdige Mutter Saint-Claude-de-la-Croix, die Vorsteherin der Augustinerinnen, die das Hospital führten, großzügigerweise für die verwundeten Offiziere Seiner Majestät König Louis’ zur Verfügung stellte.
Ein köstlicher Duft nach Suppe stieg ihr in die Nase und ließ ihren Magen heftig gegen die stiefmütterliche Behandlung, die sie ihm zuteilwerden ließ, protestieren. Der Appetit der jungen Frau erwachte, und sie schluckte. In diesem Moment erschien Schwester Clotilde mit einem Tablett voller Suppenschalen und durchquerte den Saal. Ein Knabe, der einen dampfenden Kessel trug, folgte ihr auf dem Fuß. Isabelle stand auf und lief den beiden nach.
Gemeinsam betrat das
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