Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
erinnerte sie an das Schauspiel, das Étienne und Perrine ihr in der Milchkammer geliefert hatten. Im Geiste stellte sie sich diesen schlanken, aber kraftvollen Körper vor, der sich über sie beugte, diesen langen Rücken unter dem Hemd und die muskulösen Schenkel unter dem Kilt. Überrascht stellte sie fest, wie sie sich vorstellte, dass Alexanders Hinterbacken gewiss auch glatt sein würden, und sie spürte, wie ihr Gesicht dunkelrot anlief und Schmetterlinge in ihrem ganzen Körper flatterten. Zugleich versuchte ihre Vernunft sie daran zu erinnern, dass es Grenzen gab, die sie nicht überschreiten durfte. Doch das war so schwierig…
Eine von Alexanders Händen glitt über ihr Mieder, und Isabelles Atmung beschleunigte sich. Eine leise Stimme warnte die junge Frau davor, dass die Gefahr wuchs. Seine Finger liebkosten den braunen Filzstoff, umschlossen dann eine Brust und begannen sie sanft zu massieren. Isabelle spannte sich an. Alexander stöhnte leise, als sie die Fingernägel in seine Schultern grub. Dann traf sie im Spiegel ihren eigenen Blick und fühlte sich mit einem Mal an Marcellines entsetzte Miene erinnert, die sie über die Schulter des Mannes, der ihr Gewalt antat, erblickt hatte. Sie geriet in Panik. Das ist Alexander, den du liebst. Er wird dir niemals ein Leid antun! , sagte sie sich. Doch das Bild, das sie sah, erinnerte sie immer noch an ein anderes, schreckliches.
»Alex…«
Er gab keine Antwort, denn sein Mund war zu beschäftigt damit, die Haut am Ausschnitt ihres Kleides zu erforschen. Schroff stieß sie ihn zurück.
»Alex… das dürfen wir nicht!«
In ihrer Panik hatte sie ein wenig zu laut gesprochen und schlug die Hand vor den Mund. An der Wand klopfte es zweimal. Erschrocken und verwirrt richtete Alexander sich auf und wartete darauf, dass sie ihm sagte, was er tun sollte. Doch sie blieb stumm. Er nahm seinen Umhang und seinen Rock vom Bett. Von der anderen Seite der Tür her drangen Stimmen zu ihnen. Endlich rührte sich Isabelle. Sie nahm Alexander am Arm und zog ihn in eine Zimmerecke. Dann öffnete sie den großen Kleiderschrank und schob ihn hinter die Tür des Möbels. Als Nächstes sah sie die Schnur, die noch am Bett festgebunden war, und warf einen langen Hausmantel darüber. Jemand pochte an die Tür.
»Isabelle?«
Das war die Stimme ihrer Mutter. Die junge Frau sah sich ein letztes Mal im Zimmer um und ging dann zur Tür. Als sie Madeleines Stimme hörte, wartete sie, doch sie vernahm nur Flüstern, keine verständlichen Worte. Sie beschloss, die Tür einen Spalt breit zu öffnen.
»Warum bist du um diese Zeit noch wach, Isabelle? Ich habe noch Licht unter deiner Tür gesehen… Geht es dir gut?«
»Ja, Mama. Ich … konnte nicht schlafen, und da … habe ich gelesen, das ist alles.«
Als ihre Mutter sah, dass sie vollständig angekleidet war, zog sie die Augenbrauen hoch.
»Es würde dir das Einschlafen sicherlich erleichtern, wenn du dich ausziehen und dein Korsett aufschnüren würdest.«
»Ähem … ja. Meine Lektüre hatte mich so gefesselt, dass ich…«
»Ich wollte ihr gerade beim Auskleiden zur Hand gehen, Tante. Doch vorher bin ich nach unten gegangen, um ihr einen Lindenblütentee aufzugießen, damit sie besser schlafen kann.«
Justine sah die beiden jungen Frauen fragend an und zuckte die Achseln.
»Schön … bleibt nicht mehr so lange auf, Kinder. Ich lege mich wieder hin. Gute Nacht.«
Als sie fort war, trat Madeleine ins Zimmer und schloss rasch die Tür hinter sich. Der Türflügel des großen Schrankes knarrte, und Alexander grinste ihr zu. Er hatte seinen Rock wieder angezogen, worüber sie erleichtert war. Wie berauscht über den kühnen Coup, der ihnen gelungen war, begann sie haltlos zu kichern.
»Findest du das etwa komisch?«, empörte sich Isabelle. »Ich bin vor Angst fast gestorben, und du findest das lustig? Los, jetzt mach mir schon diesen Tee, denn den kann ich jetzt gut gebrauchen.«
Madeleine warf Alexander einen Blick zu und ging hinaus. Isabelle sah auf die geschlossene Tür und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Da waren sie ja gerade noch einmal davongekommen! Alexander umarmte sie von hinten und legte das Kinn auf ihren Kopf.
»Ich hätte nicht herkommen sollen. Das ist zu gefährlich für dich.«
Gefährlich für sie? O ja! Aber nicht aus dem Grund, an den er dachte.
»Und für dich nicht? Dafür könnte mein Vater dich hängen lassen!«
Alexander drehte sie in seinen Armen um und legte die Lippen auf
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