Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
schreckliche Geschichten zu diesem Thema gehört und vermutete, dass Louis keine Ausnahme von der Regel machte.
»Wie steht es nach dem Tod unseres Vaters eigentlich zu Hause?«, erkundigte sich Louis und betrachtete einen Schnitt an seinem Finger, der sich entzündet hatte.
»Na ja, irgendwie geht es schon weiter … Aber ohne Papa wird es nie wieder wie vorher sein.«
»Hmmm, wahrscheinlich nicht. Wie kommt deine Mutter zurecht?«
»Sie schließt sich oft in ihrem Zimmer ein und spricht kaum noch mit uns.«
»Der Tod ihres Mannes muss sie tiefer getroffen haben, als man denken würde.«
Isabelle runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen, um keine boshafte Bemerkung zu machen. Louis ging zu einem anderen Thema über, das allerdings nicht weniger heikel war.
»Des Méloizes hat mir das Versprechen abgenommen, dich in Sicherheit zu bringen.«
»Wie geht es ihm?«
»Gut. Eine Schulterverletzung bereitet ihm einige Sorgen, aber er ist ja robust. Was soll ich ihm nur sagen, Isa?«
»Ich sollte ihm vielleicht schreiben.«
»Ja, das denke ich auch. So, wie die Dinge stehen, wäre es das Mindeste, was du tun solltest.«
Die junge Frau blieb stumm. Louis legte die Hand auf ihren Arm und zog sie zu sich herum.
»Versuchst du eigentlich ihn zu strafen?«
Sie blieb stehen und sah ihn schockiert an.
»Glaubst du, ich pflege nur Umgang mit einem Briten, um mich zu rächen? Da bist du aber auf dem Holzweg, Louis!«
»Ich weiß, was man sich über des Méloizes erzählt. Du darfst diesen Gerüchten keinen Glauben schenken, Isa!«
Die junge Frau wandte sich ab und betrachtete einen Hund, der in einem Abfallhaufen wühlte.
»Das ist jetzt ohnehin nicht mehr von Bedeutung…«, murmelte sie. »Ich kann nie mehr zu Nicolas zurückkehren.«
»Hast du dir das auch gut überlegt? Ich versichere dir, dass du ihm vertrauen kannst. Damals ist nichts geschehen …«
»Ich spreche nicht von ihm, sondern von mir, Louis! Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht einfach zu ihm zurückgehen, als wäre nichts gewesen.«
Louis betrachtete seine Schwester aufmerksam. Sie kaute nervös auf einer Haarsträhne. Plötzlich sah er sie wieder, wie sie gestern im Hof des Hauses in der Rue Saint-Jean vor ihm gestanden hatte, mit einer merkwürdigen Miene und einem ganz eigentümlichen Strahlen in den Augen…
»Verurteile mich nicht, Louis, ich flehe dich an«, flüsterte sie.
Langsam schüttelte er den Kopf und nahm die misshandelte Haarsträhne, um sie hinter ihr Ohr zurückzustecken.
»Du hast dich sehr verändert. Jetzt bist du… nun ja… Liebst du denn diesen Mann?«
»Ja.«
»Wie ist sein Name?«
»Alexander Macdonald.«
»Hmmm… Und wie kam es, dass er dir über den Weg lief und es sogar fertig gebracht hat, dich Nicolas des Méloizes vergessen zu machen?«
»Ganz einfach durch eine Verkettung von Zufällen …« Erneut setzten sie sich in Bewegung, und sie erzählte ihm ihre Geschichte. Er lauschte schweigend, wobei er ihr immer wieder verstohlene Blicke zuwarf. Wenn sie von Alexander sprach, lächelte sie. In ihren Augen stand dieses Leuchten, das einer verliebten Frau eigen war; er hatte es auch in Françoises Gesicht gesehen, am Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht.
»Ich hoffe wirklich, dass er ebenso für dich empfindet, wie du ihn zu lieben scheinst, kleine Schwester. Du weißt ja, dass Männer viele schöne Reden führen, wenn sie das Herz … und den Körper… einer Frau erobern wollen.«
Isabelles Wangen liefen purpurrot an, und sie senkte den Kopf. Sie konnte es gar nicht gebrauchen, dass jemand Zweifel in ihr säte, nicht gerade jetzt.
»Isa? Ich möchte nur, dass du nicht zu vertrauensselig bist. Du bist noch sehr jung… und sehr hübsch.«
Er lächelte ihr zu. Als sie die Wachen am Saint-Jean-Stadttor passierten, verstummten die beiden, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Einer der Wachsoldaten musterte Louis misstrauisch. Doch er ließ die beiden weitergehen, ohne sie aufzuhalten.
»Wann brichst du wieder auf?«, fragte Isabelle, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie außer Hörweite der Soldaten waren.
»Sobald ich Françoise und die Kinder bei unserem Cousin Perrot in Charlesbourg untergebracht habe. Du solltest mit uns kommen, Isa! Es ist gefährlich, nur mit deiner Mutter und Ti’Paul hier zurückzubleiben. Baptiste ist viel zu alt, um euch zu beschützen.«
Und was wird mit Alexander?, dachte die junge Frau, und es gab ihr einen Stich ins Herz.
Louis ging langsamer.
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