Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
einer rascheren Gangart zu bewegen.
Vor Hoffnung und Liebe schlugen ihre Herzen schneller, und sie brannten darauf, einander zu berühren. So drangen sie in das Halbdunkel im Inneren des Bauwerks ein. Sie hatten nur zwei Stunden Zeit; zwei Stunden, um Abschied voneinander zu nehmen. Die französische Armee rückte vor; und die Stadtbewohner verließen Québec. Die Kutsche der Lacroix’ war beladen und bereit für ihre Flucht. Isabelle hatte versucht, ihre Mutter davon abzubringen, nach Charlesbourg zu gehen. Aber Françoise, die sich bereits dort befand, war noch nicht gesund und brauchte Pflege, und jemand musste sich auch um den kleinen Luc kümmern. »Wenn wir zurückkehren, wird die französische Fahne wieder über Québec wehen«, hatte Justine ihr versichert.
Diese Möglichkeit war Isabelle bis dahin gar nicht in den Sinn gekommen; und mit einem Mal wurde der jungen Frau bewusst, dass Alexander ebenso plötzlich aus ihrem Leben verschwinden könnte, wie er darin aufgetaucht war. Der Highlander lief Gefahr, in Gefangenschaft zu geraten und in seine Heimat deportiert zu werden, aus der er nie zurückkehren würde. Schlimmer noch, er könnte getötet werden! All diese Gedanken, die sich in ihrem Kopf überschlugen, hatten sie schließlich handeln lassen. Sie wollte wissen, welche Gefühle Alexander wirklich für sie hegte, und reinen Tisch machen, auch wenn das bedeutete, dass die Wahrheit sie für alle Zeiten niederschmettern würde. Also hatte sie dem jungen Mann eine Nachricht in den Rennenden Hasen geschickt und gehofft, er werde sie rechtzeitig erhalten. Ihr Wunsch war in Erfüllung gegangen. Er hatte sie auf dem Weg nach Saint-Vallier, in der Nähe der Sümpfe, erwartet.
Alexander zündete die Kerze an, die Isabelle vorausschauend mitgebracht hatte. Die junge Frau hatte auch eine dicke Decke, eine Flasche Wein und einen Topf Himbeermarmelade, die sie aus der inzwischen fast leeren Vorratskammer entwendet hatte, in ihre Tasche gesteckt. Sie breitete die Decke aus, setzte sich darauf und bedeutete dem jungen Mann, sich zu ihr zu gesellen.
»Gläser habe ich keine«, erklärte sie und hielt ihm die Weinflasche entgegen.
Er ließ sich ihr gegenüber nieder und nahm die Flasche. Ein besonderes Strahlen stand in den grünen Augen, die ihn ansahen. Seit er Isabelle kannte, hatte er viele Veränderungen an ihr beobachtet. Von der sorglosen jungen Frau, die er einst kennengelernt hatte, war fast nichts mehr übrig, nur noch dieses kristallklare Lachen, das aus ihrer Kehle aufstieg und sein Herz berührte. Heute hatte er eine Frau vor sich, die das Elend des Krieges kannte und es dennoch fertig brachte, sich an Kleinigkeiten zu erfreuen. Er selbst wusste genau, wie wichtig solche Nichtigkeiten sein konnten, wenn man am Rande eines Abgrunds stand; und wie bedeutungslos dafür Dinge werden konnten, die einem zuvor unabdingbar vorgekommen waren – das war einfach eine Überlebensstrategie des Verstandes.
»Wir verlassen die Stadt«, verkündete Isabelle, während sie die Bänder ihres Mieders aufschnürte. »Wir gehen nach Charlesbourg.«
»Charlesbourg?«, wiederholte Alexander und schaute ihr fasziniert zu. »Ähem … ja. In dieser Lage ist das wahrscheinlich besser.«
»Das finde ich nicht. Aber meine Mutter besteht darauf, und Louis will es auch so.«
»Louis?«
»Mein Bruder.«
Sie warf ihm einen Blick zu und wand sich wie ein Schmetterling, der versucht, aus seinem Kokon zu schlüpfen. Schließlich glitt ihr Oberteil mit einem leisen Rascheln zu Boden. Alexander zog die Augenbrauen hoch und verfolgte die Bewegungen der jungen Frau mit wachsendem Interesse.
»Dein Bruder… ja.«
Isabelle unterbrach ihr Tun.
»Mein Bruder Louis, der, dessen Frau ein Kind erwartet hat!«
Sie schien verärgert zu sein, weil sie ihm auf die Sprünge helfen musste. Er sah sie mit verständnisloser Miene an. Seufzend riss sie ihm die Flasche aus den Händen, nahm ein paar Schlucke und gab sie ihm dann zurück. Blinzelnd tat er es ihr nach.
»Sie hat es verloren«, sagte sie und wischte sich einen Tropfen Wein ab, der ihr übers Kinn gelaufen war.
Nachdem sie sich die Finger abgeputzt hatte, machte sie sich an den Bändern ihres Rocks zu schaffen.
»Das … tut mir leid für die beiden«, meinte Alexander. Er war ehrlich betrübt, aber noch mehr verwirrte ihn Isabelles merkwürdiges Gebaren.
»Warst du schon einmal bei einer Geburt dabei?«
Sie wartete einige Sekunden.
»Nein«, antwortete er und bot ihr erneut
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