Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Papiergeld gründete, zusammengebrochen war, befanden sie sich tatsächlich in einer katastrophalen Lage. Seit ihre Mutter erfahren hatte, dass der Familie der Ruin drohte, sperrte sie sich in ihrem Zimmer ein, das sie nur noch zu den Mahlzeiten verließ. Nachts hörte Isabelle sie weinen. Doch aus Angst, zurückgewiesen zu werden, wagte sie nicht, an ihre Tür zu klopfen, um ihr ein wenig Trost zu schenken. Ti’Paul spürte, dass etwas im Gange war, und stellte viele Fragen, die Isabelle nicht zu beantworten vermochte.
»Ich fürchte, mein Vater hat uns nichts als Schulden hinterlassen. Er hatte wohl noch allerhand Außenstände … aber seine Schuldner sind nach Frankreich ins Exil gegangen oder ebenfalls ruiniert und können ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. König Louis tauscht das Papiergeld nicht mehr ein … Frankreich ist ebenfalls bankrott. Das Lager meines Vaters ist vernichtet worden; seine Schiffe sind entweder überfallen worden oder verschwunden. Wir haben unseren ganzen Besitz verloren. Im Moment ist uns wenigstens noch das Haus in der Rue Saint-Jean geblieben, das er klugerweise auf den Namen meiner Mutter hat eintragen lassen …«
Langsam drehte Alexander sich in den Armen der jungen Frau um, damit sie einander wieder gegenüberstanden.
»Och! Das tut mir leid, Isabelle … Ich hätte mich nicht so hinreißen lassen dürfen.«
Eine tiefe Stille umgab sie, die nur von den durchdringenden Schreien der Seemöwen, die über ihren Köpfen dahinsegelten, durchbrochen wurde. Isabelle spürte, wie eine irrationale Furcht davor, Alexander könnte sie verlassen, in ihr aufstieg. Nein, das konnte, durfte er nicht tun … jetzt nicht mehr. Ihre Hand, die auf ihrem Leib lag, verkrampfte sich, und sie holte tief Luft.
Ein Tropfen fiel auf Alexanders Handrücken. Der junge Mann schaute nach oben: Der Himmel war klar, und der Mond stand inmitten eines verschwommenen Halos und strahlte ein milchiges Licht aus. Ein weiterer Tropfen zersprang auf seiner Haut. Neugierig beugte er sich über Isabelle und strich mit dem Finger über ihre Wange, die heiß und feucht war. Er nötigte die junge Frau, ihm ins Gesicht zu schauen. Die Hitze war drückend, aber um nichts in der Welt hätte er sich von ihr gelöst.
»Nicht weinen, mo chridh’ àghmhor . Ich passe auf dich auf.«
Isabelle krallte die Hände in seinen Hemdrücken und brach in Schluchzen aus. Das seltsame Licht, das Alexander kurz in ihren Augen gesehen hatte, verschwand. Der junge Mann fühlte sich hilflos und vergrub das Gesicht in Isabelles angenehm duftendes Haar.
»Versprich es mir, Alex.«
»Ich verspreche es … wenn du mir gelobst, auf mich zu warten.«
»Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen«, zitierte sie den alten Kinderreim und bekreuzigte sich.
Verblüfft sah Alexander sie an, und ein Lächeln, das er nicht zu unterdrücken vermochte, verzog seinen Mund. Ein wenig ärgerlich runzelte sie die Stirn und presste die Lippen zusammen, weil er in einem so ernsten Moment so amüsiert dreinschaute.
»Was ist?«
»Nichts …«, murmelte er, beugte sich über sie und küsste sie zärtlich. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
Der Südwestwind trug ein heftiges Gewitter heran, das den Hundstagen ein Ende bereitete und die Mückenschwärme vertrieb, die den Soldaten zusetzten. Heute Abend war die Luft frischer, und Alexander war, in seine frisch gewaschene und geflickte Weste gekleidet, fröhlichen Schrittes unterwegs in die Rue Saint-Jean. Drei Tage waren vergangen; beim Exerzieren wurden sie jetzt härter herangenommen, und wenn er abends in sein Quartier zurückkehrte, sank er erschöpft auf seinem Lager zusammen.
Die letzte Offensive wurde vorbereitet. Murray hatte dreitausendachthundert Männer für den Feldzug gegen Montréal aufgeboten. Die Soldaten sollten in neunundsiebzig Schiffen verschiedenster Tonnage den Fluss hinauffahren und unterwegs die Kolonisten unterwerfen, indem sie sie aufforderten, die Waffen niederzulegen und Neutralität zu schwören.
Die Truppen befanden sich im Alarmzustand und mussten damit rechnen, sich von einem Tag auf den anderen einzuschiffen. Sie würden erst wenige Stunden zuvor erfahren, wann sie aufbrechen mussten. Und so wurde für Alexander jede Stunde zu einer Marter: Noch zwei Tage, mehr verlangte er nicht…
Der junge Mann stand vor dem Tor, das in den Hof der Lacroix’ führte, und blickte rasch um sich. Die Passanten, die sich seit Monaten an die vielen
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