Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
doch vergeblich. Ein ums andere Mal hallten sie in seinem Kopf wider und bereiteten ihm Todespein. Sein Herz, das noch vor ein paar Minuten vollkommen unbeschwert gewesen war, fühlte sich jetzt so schwer an, dass er nur mit Mühe seinen Körper dahinschleppen konnte. Sein Leid zerriss ihn und bereitete ihm Folterqualen, bis nicht anderes mehr auf dieser Welt existierte.
Sein Blick verlor sich in dem schäumenden Wasser tief unter ihm. Eine Vielzahl von Gedanken und Gefühlen überschlugen sich in seinem Innern. Er konnte es einfach nicht begreifen. Was war da nur geschehen? Isabelle hatte ihn betrogen! Sie hatte ihn verraten! Er vermochte es nicht zu glauben. Und dennoch… er wusste genau, dass die Nachbarin nicht gelogen hatte.
Er warf den Kopf in den Nacken und heulte aus vollem Halse zum Himmel auf. Isabelle hatte ihn getötet, sein Herz durchbohrt. Sie hatte ihm sein kostbarstes Gut geraubt, das er noch nie jemandem offenbart und das er über all die Jahre für sie bewahrt hatte: seine Seele.
Mit bebender Hand zog er langsam seinen langen Dolch aus der Scheide und betrachtete ihn durch einen Schleier brennender Tränen. Der Stahl blitzte in den letzten Strahlen der Herbstsonne. Er hob die Waffe auf die Höhe seiner Brust und schloss die Augen. Bilder seines verlorenen Glücks zogen an ihm vorüber: Isabelle, wie sie ihm zulächelte, mit verbundenen Augen, schimmernden Lippen und Locken, die ihr Gesicht umrahmten; Isabelle, die auf einem Felsbrocken saß und einen französischen Kinderreim sang, während sie auf ihn wartete und ihre nackten Füße baumeln ließ; Isabelle im Mondlicht, das Gesicht vor Lust verzerrt, von einer Aureole aus goldener Lockenpracht umgeben, die sich auf dem Gras ausbreitete. Das war in der Nacht gewesen, als sie das handfast -Gelübde abgelegt hatten. Aber sie hatte ihren Eid gebrochen… Er konnte es nicht begreifen… Warum nur?
Die Klinge zitterte. Das Bedürfnis, Antworten auf seine Fragen zu finden, hatte ihn verlassen. Sein ganzes Leben lang hatte er danach gestrebt; nun hatte er genug. Er war es gründlich leid, zu sterben, wiedergeboren zu werden, weiter zu leiden … und immer wieder zu sterben. All dem wollte er ein Ende setzen… Der Dolch schwankte und kam näher.
»Was tust du da, Alas? Nein!«
Leichenblass, mit flehendem Blick stand Coll vor ihm.
»Verschwinde!«
»Nein! Leg deinen Dolch weg, Alas.«
»Misch dich da nicht ein! Geh weg!«
»Auf keinen Fall! Ich werde nicht zulassen, dass du das tust. Ich beschwöre dich, Alas … Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber vielleicht hast du nicht alles richtig verstanden …«
Alexander zog die Augenbrauen hoch und musterte seinen Bruder einen Moment lang schweigend. Den Dolch hielt er immer noch gegen seine Brust gerichtet. Er spürte, wie ihm ein schmerzhaft brennendes Lachen in die Kehle stieg und seine Schultern beben ließ.
»Da gibt es nichts zu deuten, Coll. Isabelle ist verheiratet.«
»Oh, Alas! Bist du dir sicher?«
Alexander antwortete nicht, sondern schlug nur die Augen nieder. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. In seinem Blick lag ein so tiefer Kummer. Warum musste das Leben seinem Bruder bloß immer so zusetzen? Coll sah den Knaben vor sich, der Alexander einmal gewesen war: den ungestümen Alasdair, den Rebellen; den sensiblen Alasdair, der stets nach Liebe und Aufmerksamkeit hungerte. Sein ganzes Leben lang hatte sein Bruder bei Frauen die Liebe gesucht, die seinen inneren Aufruhr beruhigte … Die Frauen … Er hatte ihm von Connie und Kirsty erzählt. Dann war da Leticia gewesen. Sie alle hatten ihn so akzeptiert, wie er war, ihn aber schließlich verlassen.
»Alas … wenn sie fort ist, dann hatte sie dich auch nicht verdient. Keine Frau ist das wert, was du da vorhast.«
Mit einem Mal richtete die Waffe sich auf Coll.
»Schau dir diesen Dolch gut an, Bruder… und versuche dir vorzustellen, wie die Klinge sich langsam durch die Haut bohrt. Glaube mir, dieser Schmerz wäre süßer als das, was ich in diesem Moment empfinde. Ich habe genug, Coll!«
»Ich weiß … Aber du musst weitermachen. Herrgott! Es gibt noch andere Frauen, und der Krieg ist fast vorüber …«
»Das verstehst du nicht! Ohne sie bin ich nichts mehr!«
Mit diesen Worten richtete Alexander die Waffe erneut gegen sich selbst.
»Weißt du überhaupt noch, wer du bist?«, schrie Coll zornig. »Is thusa Alasdair Cailean MacDhòmhnuill! Du bist Alexander Colin Macdonald! Du bist der Abkömmling vieler,
Weitere Kostenlose Bücher