Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
er. Isabelle war etwas zugestoßen.
»Sucht Ihr jemanden, Monsieur?«, fragte eine zittrige Stimme hinter ihm.
Mit fliegendem Plaid wirbelte er herum und sah sich einer alten Frau mit freundlichem Gesicht gegenüber, die ihn zuvorkommend anlächelte.
»Ja. Ich bin auf der Suche nach Mademoiselle Isabelle Lacroix. Könntet Ihr mir vielleicht sagen, ob sie noch hier wohnt? Ich wollte sie begrüßen …«
»Seid Ihr ein Freund?«, erkundigte sich die Frau.
»Ein Freund? Ähem… ja.«
»Ah! Mademoiselle Lacroix lebt nicht mehr hier, junger Mann. Sie hat letzten Monat geheiratet, einen Notar, wie ich gehört habe. Anschließend ist sie mit ihm fortgezogen …«
Die Worte hallten in seinem Kopf wider; ihm war, als gehe rund um ihn ein schwarzer Vorhang nieder. Er zog die Augen zusammen. Bestimmt hatte er etwas falsch verstanden… oder die Nachbarin irrte sich!
»Geheiratet?«, murmelte er. »Seid Ihr Euch ganz sicher, dass wir von Isabelle Lacroix reden?«
»Aber ja, die Tochter des Kaufmanns.«
»Das … das ist doch gar nicht möglich! Aber… wen denn?«
»Nun, seinen Namen weiß ich nicht. Aber er war sehr gut gekleidet; ein wohlsituierter Herr. Die Hochzeit war eine Überraschung für uns alle, das kann ich Euch sagen! Gewiss, man hat ihn diesen Winter ein paarmal gesehen, als er die Lacroix’ besuchte. Aber ich hätte nie gedacht, dass die Kleine so rasch heiraten würde.«
Alexander wurde von Panik ergriffen. Sein Herz pochte wild, sein Atem ging rasch, und er hätte die alte Dame am liebsten geschüttelt, um alles, was sie über Isabelle wusste, schneller aus ihr herauszuholen. Doch er nahm sich zusammen und gab sich Mühe, seine Frage nicht herauszuschreien.
»Wo? Wohin ist sie gezogen?«
»Das weiß ich nicht mehr. Oder doch! Montréal, genau! Wie man so schön sagt, wer sich einen Gatten erwählt, entscheidet sich auch für sein Land …«
»Fort… Verheiratet … Isabelle?«
Die Frau war verstummt und sah Alexander besorgt an.
»Geht es Euch auch gut, junger Mann? Ihr seid plötzlich so blass geworden.«
Mit weichen Knien, eine Hand aufs Herz gepresst, fuhr Alexander heftig vor ihr zurück, als wäre sie die banshee -Fee 55 . Ihm stockte das Blut im ganzen Körper, und vor Verzweiflung und Zorn hätte er am liebsten laut aufgeschrien. Isabelle verheiratet und fort? Nein! Das konnte nicht sein! Sie hatten sich einen Eid geschworen, sie gehörten einander!
»Nein … nein … Das ist gelogen«, stammelte er.
Er wirbelte herum und sah erneut zum Haus. Wieder bewegte sich der Vorhang. Aha, man hatte also auf ihn gewartet und beobachtete ihn, machte sich über ihn lustig! Isabelle hatte ihn an der Nase herumgeführt. Der Mann, den er hier gesehen hatte, war tatsächlich ein Verehrer gewesen. Sie hatte ihn angelogen!
Er stürmte zur Tür und hämmerte so wütend dagegen, dass sie in den Angeln erbebte.
»Isabelle!«, brüllte er verzweifelt. »Isabelle! God damn! Dinna do this …« Tu mir das nicht an …
Zitternd, mit wild pochendem Herzen, lehnte Justine sich an die Wand. Der Schotte war wieder da. Da sie wusste, dass Murrays Truppen aus Montréal zurückgekehrt waren, hatte sie ängstlich darauf gewartet. Doch als sie ihn jetzt sah, wie er vor ihrer Tür seinen Schmerz herausschrie, fühlte sie sich schrecklich. Ein eigenartiges Gefühl ließ sie schwindeln. Reue? Hatte sie sich vielleicht geirrt, als sie Isabelle zu dieser überstürzten Heirat gezwungen hatte? Ihre eigene bittere Erfahrung, dass Männer ihre schönen Versprechungen nicht einlösen, und der aufrichtige Wunsch, ihre Tochter zu beschützen, hatten sie dazu bewogen. Sie hatte geglaubt, das Beste zu tun.
Sie zerdrückte eine Träne, so wie sie es an jenem Morgen kurz vor der Hochzeitszeremonie getan hatte. Wieder sah sie Isabelle vor sich, die ganz in Schwarz wirkte, als sei sie für eine Beerdigung gewandet und nicht für eine Hochzeit. Der Blick, den die junge Frau ihr zugeworfen hatte, als sie in die Kutsche gestiegen war, die sie in die Kirche bringen würde … Bei der Erinnerung erschauerte sie und erinnerte sich an eine andere junge Frau, die vom Deck einer Brigantine aus den Mann, der am Kai stand, auf dieselbe Weise angesehen hatte … Das war in La Rochelle gewesen. Isabelle würde ihr nie verzeihen, so wie sie selbst ihrem Vater nie vergeben hatte, dass er sie zur Ehe mit Charles-Hubert gezwungen hatte. Ihre einzige Tochter würde sie bis in den Tod hassen.
Mit zitternden Fingern strich Justine
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