Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Wucht des Einschlags das Boot ins Schaukeln, so dass es gefährlich schwankte. Ein ohrenbetäubendes Gebrüll brachte Alexanders Trommelfelle fast zum Platzen. Erschrocken fuhr der junge Mann herum. Blut… viel Blut! Zwei fast aus den Höhlen tretende Augen rollten inmitten einer schwarzen, schleimigen Masse.
Der verwundete Soldat schlug wild um sich und lief Gefahr, entweder über Bord zu gehen oder, was noch schlimmer gewesen wäre, das Boot zum Kentern zu bringen. Ein entsetzliches Gurgeln stieg aus einer klaffenden Wunde auf, die da saß, wo einmal sein Mund gewesen war. Da ging Alexander auf, dass ein Teil seines Kiefers weggerissen war, zusammen mit einem Stück der Schulter, an der merkwürdigerweise noch in einem verdrehten Winkel der Arm hing. Die Männer, die nicht wussten, was sie tun sollten, rückten auf ihren Plätzen herum und schrien. In gewisser Weise hatte der Nachbar des armen Mannes Glück gehabt: Die Kanonenkugel hatte ihn in die Mitte getroffen und ins Wasser gerissen. Wenigstens hatte er nicht gelitten.
Sie hielten den Verwundeten fest, damit nicht die ganze Besatzung über Bord ging. Leticia, die direkt vor ihm saß, betrachtete die Szene erstaunlich gelassen. Sie zog ihren Dolch und sprach Sergeant Campbell an, der am Steuerruder stand.
»Wir müssen etwas unternehmen. Man kann ihn unmöglich in diesem Zustand lassen!«
Der Sergeant betrachtete das Messer und sah sich dann um, als suche er nach einem höherrangigen Offizier, der an seiner Stelle antworten könnte. Doch er sah niemanden, nur Korporal Watson, der sich im vorderen Teil des Bootes befand. Leticia wartete.
»Nun gut, MacCallum … Aber mach schnell.«
Geführt von einer eigenartig ruhigen Hand, stieß der Dolch in die Brust des Verletzten, direkt unterhalb des Brustbeins. Ein Zischen ließ sich vernehmen, und dann hörte der Körper auf, sich zu bewegen. Gebete wurden gemurmelt, und Leticia schloss die Augen des Toten, den man anschließend ins Wasser stieß. Ohne weitere Umstände schrie Sergeant Campbell den Ruderern zu, sich wieder in die Riemen zu legen.
Langsam kehrte Leticia an ihren Platz zurück. Sie war blass, und vor ihrem starren Blick schien immer noch ihre schreckliche Tat zu stehen. Evan sprach einige Worte mit ihr; sie reagierte, indem sie auf ihre zitternde Hand hinuntersah, in der sie immer noch den blutigen Dolch hielt. Den Dolch, dessen Griff Alexander für sie geschnitzt hatte… Behutsam nahm Evan ihr die Waffe ab, wischte sie an seinem Kilt ab und schob sie dann wieder in die Scheide, die an Leticias Gürtel hing. Die junge Frau schlug die Augen zu Alexander auf, und für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Er lächelte ihr schwach zu, um sie aufzumuntern.
Die Vorsehung hatte gewollt, dass ihr Boot, obwohl es von Kugeln durchsiebt war, bei dem Einschlag der Kanonenkugel nicht untergegangen war. Sie hielten auf die Küste zu, die einige Boote bereits erreicht hatten. Wenn sie nahe genug waren, sprangen die Soldaten ins Wasser, wobei sie Pulver und Gewehr hoch über den Kopf hielten, und wateten im feindlichen Beschuss an den Sandstrand. Ohne Unterlass pfiffen die Kugeln heran und fanden ihr Ziel, ohne ihnen jedoch ernstliche Verluste zuzufügen.
Alexander sah zu der Felsnadel von Cap Rouge auf und entdeckte einen Wachturm. Hinter einem Schleier aus weißem Rauch richteten sich abwechselnd Silhouetten auf. An der Gestalt und der Haltung eines der Männer, die auf sie schossen, erkannte er einen Wilden von riesenhafter Statur. Alexander wusste, dass der Befehl lautete, nicht von den Booten aus zu schießen. Aber die Versuchung war zu groß. Er legte sein Gewehr an und entsicherte es.
»Was machst du da?«, rief Munro ihm zu.
»Alas!«, schrie Evan.
Alexander tat, als höre er nicht, und visierte den Indianer an, der durch seine Größe selbst auf diese große Entfernung ein perfektes Ziel abgab.
»Waffe runter, Macdonald!«, brüllte Campbell hinter ihm.
Durch den starken Seegang und den Wind schwankte das Boot heftig. Dennoch hielt Alexander den Blick fest auf den Wilden gerichtet. Sein Finger, der am Abzug lag, zitterte nicht mehr. Er drückte ab. Langsam beugte der Koloss sich nach vorn, denn stürzte er ins Leere und traf zwanzig Fuß tiefer in den verschlungenen Ästen der Barriere auf. Nach dem Schuss hatte sich Schweigen über das Boot gesenkt. Dann stieß Munro einen bewundernden Pfiff aus, und andere taten es ihm nach.
»Mac an diabhail! «, murmelte jemand in seiner Nähe.
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