Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Panik. Alexander hörte nicht auf zu stöhnen, und sein Arm schwoll weiter an, bis er das Doppelte seines normalen Umfangs erreicht hatte.
»Hackt ihn ab! Ihr müsst den Arm amputieren!«, flehte er.
»Halte aus, Alex«, flüsterte Leticia und untersuchte die Schwellung.
»Das Übel wird sich ausbreiten«, meinte Munro, dem der Schweiß auf der Stirn stand. »Besser, wir tun, was er verlangt.«
»Nein!«, fiel Leticia barsch ein. »Wir müssen warten. Gibbon ist schon fast zwanzig Minuten tot, und Alexander ist noch am Leben, obwohl die beiden nur mit ein paar Sekunden Abstand getroffen worden sind. Das könnte bedeuten, dass die Menge Gift, die in seinen Körper eingedrungen ist, nicht ausreicht, um ihn zu töten. Wir sollten abwarten… Seht, sein Arm ist nicht weiter angeschwollen.«
Munro, dessen Schwert zitterte, sah auf den wimmernden Alexander hinunter. Dann nickte er.
»Einverstanden, warten wir noch.«
Lange bevor die Sonne im Zenit stand, hatte sich die französische Armee hinter den Mauern ihrer Festung in Sicherheit gebracht und die Ansiedlungen, die sie auf ihrem Rückzug durchstreifte, in Brand gesteckt. Aus ihrer Bastion heraus hielt sie die Briten mit Kanonenfeuer auf Abstand und ließ sie nicht nahe genug für eine Belagerung herankommen.
Schwere Winde hinderten die Briten zwei Tage lang, ihr schweres Kriegsgerät an Land zu bringen; wertvolle Zeit verstrich, welche die Franzosen jedoch nicht nutzten, um die Insel von den Besatzern, die immer noch verwundbar waren, zu säubern. Die Engländer, die doppelt so zahlreich wie sie waren, hatten die vollständige Kontrolle über das Terrain und konnten es nach Belieben auskundschaften. Als sie schließlich ihre Artillerie zu eilig konstruierten Batterien zusammenstellten, waren sie mehr als sicher, dass sie den Sieg davontragen würden. Es war nur noch eine Frage der Zeit: Louisbourg würde bald fallen.
Erneut wurde er allnächtlich von Albträumen heimgesucht. Er sah das Bild des unglücklichen, von einer Kanonenkugel zerrissenen Soldaten vor sich, und sein Herz schlug zum Zerspringen. Dann schob sich Johns Gesicht vor das des anderen Mannes. Jetzt lag er mit offenen Augen da, den Blick auf den von einem nebligen Hof umgebenen Mond gerichtet, und zählte seine Atemzüge, um sich zu beruhigen und seine Gespenster zu verjagen. Es war so still, dass er ebenso gut zusammen mit seinen Ungeheuern in einem Sarg hätte liegen können.
Der Schrei einer Nachtschwalbe ließ ihn erstarren, und er atmete langsam aus. So ging das, seit er seine Brüder wiedergesehen hatte. Er hatte Angst. Und dabei wusste er im Grunde nicht genau, was er fürchtete. John hatte nicht noch einmal versucht, Verbindung zu ihm aufzunehmen; er floh ihn ebenso wie Alexander ihn. Wenn er ihm hätte schaden wollen, dann hätte er es schon lange tun können. Während des Winters hatte es nicht an Gelegenheiten dazu gemangelt. Aber wie sollte es jetzt weitergehen?
Sein halbes Leben lang war er vor etwas geflüchtet, auf das er sich jetzt überhaupt nicht mehr besinnen konnte. Mit dem Verstand nicht zu erklärende Ängste eines Jünglings vielleicht, die mit ihm gewachsen waren, die in die Irre gelaufen waren, so wie er selbst… Alexander befand sich jetzt am Scheideweg zwischen seiner Vergangenheit und seiner Zukunft. Er musste sich für eine Seite entscheiden. Doch wie immer hinderte seine Angst ihn daran.
Er drehte sich um, wobei er darauf achtgab, sein Gewicht nicht auf seinen Arm zu verlagern. Seit einer Woche war die Schwellung vollständig abgeklungen, und das Fieber, das ihn vier Tage lang an sein Lager gefesselt hatte, war gefallen. Die Wirkung des Gifts war rasch verflogen; nur die Wunde war noch empfindlich. Aber das hatte ihn nicht daran gehindert, seine Arbeit bei der Kompanie wieder aufzunehmen und bei der Errichtung von Befestigungs- und Schanzanlagen zu helfen.
Ein Windstoß ließ das Feuer aufleuchten, um das einige seiner Kameraden saßen, und wirbelte Funkengarben auf, die spiralförmig in die Nacht aufstiegen. Munros kräftige, tiefe Stimme drang zu ihm. Er sang. Alexander erklärte ihm oft, er würde einen wunderbaren Barden abgeben, was den Jüngeren unfehlbar zum Lachen brachte. Was? Er, der tollpatschige Munro, der körperlich wie in seinen Worten so unbeholfen war, sollte ein Barde sein? Es stimmte schon, dass sein bäuerliches Auftreten nicht von einem besonders hellen Geist kündete. Aber er war erstaunlich gewitzt, und mit seiner herrlichen Stimme
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