Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
ehe er im Herbst 1745 zum jakobitischen Heerlager aufgebrochen war! Er hatte gefürchtet, der junge Iain Mac-Kendrick, der ein Auge darauf geworfen hatte und der mit seiner Mutter im Tal blieb, werde versuchen, sie ihm zu stehlen. Das Uhrwerk tickte immer noch präzise.
Coll hatte gehofft, mit dieser Geste könne er Alexander verständlich machen, dass sein Platz immer noch bei seiner Familie war und dass er ihn, anders als er selbst glaubte, nie verloren hatte. John hatte ihm die Uhr vor zwei Tagen übergeben. Alexanders Zwillingsbruder hatte sie bei sich geführt, seit er nach der Katastrophe von Culloden ins Tal zurückgekehrt war. Coll hätte sich gewünscht, er möge sie ihm selbst geben, und die Zwillinge könnten sich versöhnen … Aber vielleicht war es dazu noch zu früh.
Coll hatte John mit Fragen nach den Ereignissen von Culloden bestürmt, die zu diesem unwiderruflichen Bruch zwischen den Zwillingen geführt hatten. Aber sein Bruder hatte sich geweigert, ihm irgendeine Erklärung zu geben. »Das kann doch nicht wahr sein!«, hatte er verärgert ausgerufen. »Ihr seid einer so starrköpfig wie der andere, das ist wirklich unglaublich!«
»Du vergisst, dass wir Zwillinge sind«, hatte John ihm mit einem bitteren Lächeln geantwortet. Und so hatte Coll sich damit abgefunden, keine Frage mehr zu stellen. Er hoffte, dass die Zeit diese Wunden heilen würde.
Heute Morgen schien die Bucht von Gabarus nicht bereit, sich einer Invasion zu beugen. Nebel umwaberte sie und verbarg die nach Hunderten zählenden kleinen Boote, die dem ihrigen glichen. Die Wellen schüttelten sie durch, als wollten sie sie zurückstoßen. Unter großen Problemen rückte die Division von Brigadier Wolfe auf die düstere Landmasse zu, die langsam aus den vom Wind zu feinen Fetzen zerrissenen hellen Nebelsäulen auftauchte. Aus der Ferne drang Geschützdonner zu ihnen: Englische und französische Schiffe beschossen einander mit ihren Kanonen. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte Alexander, die entsetzlichen Bilder eines Schlachtfeldes, die vor seinem inneren Auge aufstiegen, zu verscheuchen. Er legte die Hand auf das Heft seines Dolchs, das wie ein Kruzifix geformt war, und murmelte ein kurzes Gebet. Das Donnern der Kanonen verstummte, als hätte Gott ihn erhört.
Mit einem Mal kam ihm die Stille viel angsteinflößender vor als der höllische Geschützdonner. Das Plätschern des Wassers, das Knarren der Ruder, alles erinnerte ihn daran, wie verwundbar ihre Position inmitten der heftig bewegten Wellen war. Vor ihnen hob sich jetzt die Silhouette der Küste vor einem blassen Himmel ab. Nichts deutete darauf hin, dass dort jemand zu Hause war. Doch Alexander hatte das undeutliche Gefühl, dass sich Tausende von Augenpaaren hinter schussbereiten Waffen auf ihn richteten.
Das Knarren der Ruder stieg in die Morgendämmerung auf, die sie mit einem blassen Licht übergoss. Über den Bäumen, die zahlreich auf dem Cap Rouge wuchsen, schrie eine große Möwe. Alexander schaute gerade auf den Wall aus gefällten Bäumen am Fuß des fünfzehn oder zwanzig Fuß hohen Felsens, der ihnen das Eindringen erschweren sollte, als ganz in der Nähe eine Kanone einschlug. Der Himmel riss auf, und sie wurden mit einem Hagel aus Eisen und Blei überschüttet. Die Franzosen beschossen sie nach Lust und Laune.
Eine Woge der Panik brandete über die Flottille der Boote, die in ihren Versuchen, die Richtung zu ändern, zu kentern oder zusammenzustoßen drohten. Unbarmherzig ging das Bleigewitter über ihnen nieder und fällte einen Mann nach dem anderen. Die Offiziere forderten sie mit ungeheurem Gleichmut auf, Ruhe zu bewahren. Ein Mann, der bereit ist, sein Leben zu opfern, schert sich kaum um das der anderen.
Völlig unerwartet gab Wolfe die Order zum Rückzug, den die meisten Boote in einem unbeschreiblichen Durcheinander bereits von sich aus angetreten hatten. Doch dann plötzlich befahl er, auf eine kleine Bucht zuzuhalten, in der bereits drei Boote Zuflucht gefunden hatten.
Alexander sah zum Ufer und versuchte an nichts zu denken, um die Angst zu bezähmen, die in seinen Eingeweiden wühlte. Der unerschütterliche Munro stopfte mit einer Ecke seines Plaids ein Loch zu, das eine Kugel in den Rumpf geschlagen hatte und durch das Wasser eindrang. Dann begann er ein munteres Lied zu singen. Doch seine Hände verrieten ihn, denn er umklammerte sein Gewehr so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ein furchtbares Pfeifen, und dann versetzte die
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