Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
nicht einmal für nötig gehalten, unser Anliegen beim König vorzubringen. Unseren Truppen fehlt es an Munition, unsere Soldaten sind hungrig und entmutigt. Doch man hat uns nur das Minimum an Munition und Lebensmitteln zugestanden, sowie ein mageres Regiment von vierhundert Rekruten.«
»Ich habe gehört, dass nur drei Schiffe den Fluss heraufsegeln … Wo befindet sich diese Armee?«
»Laut Bougainville müsste sie binnen kurzem eintreffen, wenn Gott will. Auf dem Ozean wimmelt es von Korsaren, die im Dienst von König George stehen. Sie und die Blockade durch die englische Flotte an der Mündung des Saint-Laurent-Flusses bedrohen uns umso mehr, als ihre Armee anwächst. Die Verstärkungen, die bei ihnen eintreffen, zählen nach Tausenden.«
»Das ist ja furchtbar, Monsieur des Méloizes! Und ich dachte, Frankreich sei an seinem Pelzhandel interessiert, der ihm in der Vergangenheit so viel Gewinn eingebracht hat.«
»Dieser Markt ist heutzutage weit weniger lukrativ. Und außerdem ändern sich Ideen und Vorstellungen. Diese Schöngeister, von denen es bei Hof wimmelt, wollen Frankreich durch die Philosophie regieren. Über die Kolonien machen sie sich keine Gedanken. Rousseau, Voltaire, Montesquieu … Die Minister des Königs erliegen dem Charme ihres Esprits. Ein Stall! Also nein…! Für sie ist Kanada nur ein Anhängsel. Diese Emporkömmlinge werden das noch bitter bereuen! Sicher, sie kommen vor Schulden um. Warum wohl? Sie ersticken in ihrer Pracht. Der Herzog von Orléans hat sich große Mühe gegeben, die Truhen unseres Landes zu leeren. Zu unserem größten Unglück gebärdet unser geliebter König sich nicht besser. Und wir, wir müssen hungers sterben.«
Er sah, dass sie die Augen niederschlug. Ihre schönen, runden Wangen färbten sich rosig. Mit einem Mal fragte er sich, was sie über die Geschäfte ihres Vaters wusste, über die Machenschaften und Unterschlagungen von Bigots Entourage. Bougainville hatte dem König berichtet, was er wusste, und ihm heute Abend davon erzählt. Es hatte ihm das Herz gebrochen, aber er wusste, dass Bougainville keine andere Wahl gehabt hatte. Er hatte die Personen gemeldet, von denen er wusste, dass sie an der Vergeudung der Mittel der Krone teilhatten … Leider gehörte Charles-Hubert Lacroix dazu. Bougainville und Montcalm hatten Beweise dafür, dass Handelsschiffe, die von den Antillen kamen, auf offener See, lange vor ihrer Ankunft in Québec, angehalten wurden. Die Kommissionäre des Intendanten kauften ihnen dann ihre Ladung ab, um sie anschließend mit großem Gewinn in der Hauptstadt weiterzuveräußern. Und der Kaufmann Lacroix wirkte aktiv bei diesem Handel mit. Ein Skandal! Es war Zeit, dass dies aufhörte. Nicolas war nur traurig um Isabelles willen, weil sie die Folgen zu spüren bekommen würde. Aber er würde auf sie aufpassen. Ja, er würde sie gegen alle Verleumdungen in Schutz nehmen.
Isabelle war nachdenklich geworden. Hatten ihre Brüder etwa doch recht? Sie hatte keine große Lust, dieses Gespräch weiterzuführen, das nichts Gutes verhieß. Nun ja, zumindest hinderte es sie daran, sich auf Nicolas zu stürzen und ihm zu gestehen, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Sidonie stöhnte und bewegte sich. Die beiden jungen Leute erstarrten. Wenn die alte Dame sie ertappte, wie sollte Isabelle ihr erklären, was der junge Mann zu dieser Uhrzeit im Salon zu suchen hatte? Doch zum Glück wachte die Amme nicht auf.
»Ich … habe etwas für Euch.«
Des Méloizes steckte die Hand in seinen Rock und zog einige Papiere hervor, die er nervös zwischen den Fingern zerdrückte.
»In Paris hatte Bougainville das Vergnügen, Meister Couperin zu treffen. Vor seiner Abreise habe ich mir erlaubt … ihn zu bitten … also … Ich weiß, wie gern Ihr Cembalo spielt … Hier sind die Noten einiger seiner Stücke für Euch.«
Isabelle sah die Blätter, die er ihr hinstreckte, mit unbeschreiblicher Freude. Eine neue Melodie für ihr Cembalo? Sie stürzte auf ihn zu, nahm die Partitur und drückte sie an ihr Herz.
»Oh! Nicolas … Ähem… Pardon …«, gebot sie sich Einhalt und errötete, weil ihr diese Vertraulichkeit entschlüpft war. »Ich wollte sagen, Monsieur des Méloizes …«
Er trat auf sie zu.
»Nicolas ist sehr gut … Dürfte ich Euch dafür Isabelle nennen?«
»Mhhh … ja … Unter diesen Umständen wäre das wahrscheinlich passend.«
Sie klammerte sich an den Blättern fest, die sie in der Hand hielt, um Haltung zu wahren.
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