Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Ihr seid zu großzügig! Ihr stürzt mich in große Verlegenheit.«
Er beugte sich über sie, bis seine Lippen über ihr Haar streiften.
»Kein Grund, verlegen zu sein. Ihr habt mir gefehlt, Isabelle … Ich konnte es kaum erwarten, Euch heute Abend wiederzusehen.«
Seine Stimme, die kaum lauter als ein Flüstern war, klang belegt und bebte. Isabelle wagte sich nicht zu rühren, um diesen magischen Augenblick nicht zu unterbrechen. Sie war wie berauscht von dem Parfüm und dem Duft nach Tabak und Gewürzen, den Nicolas ausstrahlte. Sie schlug die Augen nieder und legte die Hände auf die Brust des jungen Mannes.
»Ihr habt mir so gefehlt, Nicolas. Seit unserer letzten Begegnung … ist mir die Zeit sehr lang geworden.«
»Isabelle … ich bin außer mir vor Glück! Würdet Ihr mir gestatten, dass ich bei Eurem Vater vorstellig werde und ihn um die Erlaubnis bitte, Euch offiziell wiederzusehen?«
Unter der Weste seiner Offiziersuniform spürte sie sein Herz schlagen. Erst in diesem Moment bemerkte sie die neuen goldenen Borten, die seinen Rock schmückten.
»Seid Ihr befördert worden? Ihr seid jetzt Hauptmann?«
Sie hatte ganz vergessen, auf die Frage zu antworten, die er ihr gestellt hatte. Ein wenig verstimmt räusperte er sich.
»Der König war so großzügig, mir ein Hauptmannspatent zu verleihen und das stellvertretende Kommando der Stadtgarnison zu übertragen. Wie es heißt, hat mich wohl Gouverneur Vaudreuil beim König für diese Beförderung vorgeschlagen.«
»Meinen allerherzlichsten Glückwunsch, Hauptmann des Méloizes!«
Er dankte ihr. Dann konnte er sich nicht mehr bezähmen und nahm ihre Hände, wobei er die Seiten der Partitur knitterte.
»Ihr habt nicht auf meine Frage geantwortet, Isabelle … Aber … wenn Ihr vielleicht noch etwas Zeit braucht… werde ich das respektieren.«
»Aber nein, Nicolas! Ihr könnt ruhig zu meinem Vater gehen. Die Aufmerksamkeit, die Ihr mir entgegenbringt, schmeichelt mir sehr, und ich würde mich wirklich freuen, Euch wiederzusehen.«
Er sah sie unverwandt an. Sein Blick fiel auf ihre halb geöffneten Lippen. Seit ihrer ersten Begegnung ersehnte Isabelle fieberhaft den Moment, in dem er sie küssen würde; und nun war er endlich gekommen. Nicolas umfasste ihren Mund und berührte ihn sanft mit den Lippen. Sie spürte ein köstliches Erschauern. Die Notenblätter sanken mit einem leisen Rascheln zu Füßen der beiden zu Boden. Sidonie konnte sie ertappen; es war klüger, es dabei zu belassen. Bedauernd gab sie sich mit diesem keuschen Kuss zufrieden. Sie hatten ja Zeit…
»Ich werde Euch erneut meine Aufwartung machen, Mademoiselle Isabelle, sobald meine Zeit es mir gestattet. Morgen muss ich meine Kompanie übernehmen und sie inspizieren. Und der Krieg steht kurz bevor… Ich … ich werde eine Möglichkeit finden, Euch bald wiederzusehen.«
Ein wenig enttäuscht seufzte Isabelle.
»Ich verlasse mich darauf, mein Freund.«
Das Wetter war schön. Eine leichte Brise blähte Isabelles Röcke. Mit verbundenen Augen, die Hände nach vorn gestreckt, ging sie von einem Mädchen zum anderen. Sie lachte; der Widerhall eines ungetrübten Glücks. Klar und rein wie eine Quelle, die in der milden Luft dieses 26. Juni entsprang, stieg ihr Lachen in das zartgrüne Laubwerk des gewaltigen Ahorns, unter dem sie sich befand.
»Wo seid ihr? Ich kann euch nicht finden, meine Freundinnen! Herrje, wo seid ihr nur? Ah, da habe ich eine!«
Sie tastete das Gesicht ihrer Gefangenen ab, um festzustellen, wen sie vor sich hatte. Die junge Frau konnte einen Protestschrei nicht unterdrücken, als Isabelle sie in die Nase kniff.
»Mado! Du bist Mado! Jetzt schuldest du mir ein Pfand!«
Die jungen Damen brachen im Chor in lautes Gelächter aus.
»Du hast geschummelt, Isa!«
»Nicht schimpfen, Mado. So ist nun einmal das Spiel. Los, jetzt musst du dir das Tuch umbinden.«
Madeleine Gosselin schickte sich an, sich die Augen zu verbinden, doch dann unterbrach sie sich und sah zu einem Punkt am Ende des Kaps.
»Was ist?«, erkundigte sich Jeanne Crespin.
»Das wird doch nicht mein Julien dahinten sein? Schau, er winkt mir heftig, als ob er mir etwas mitteilen wollte. Und ich dachte, der Fall der Witwe Pellerin würde ihn mindestens bis zum Angelusläuten beschäftigen… Und außerdem wollte er anschließend mit Ti’Paul die Manöver auf dem Exerzierplatz anschauen!«
»Lass doch deinen Julien. Wahrscheinlich wollte er dich nur begrüßen. Er wird sich ja nachher
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