Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
das möchte ich ebenso wenig. Nicht dass ich persönlich etwas gegen diesen Beruf hätte«, fügte er höflichkeitshalber hinzu.
Neben ihrem Mund zuckte ein Muskel, und sie sah ihn durch ihre Brille scharf – und ein wenig belustigt – an.
»Es freut mich, das zu hören«, erwiderte sie trocken. Und senkte plötzlich den Blick auf seine Füße und ließ ihn dann langsam und beinahe abschätzend an seinem gesamten Körper entlangwandern, sodass er sich auf einmal fühlte, als hätte man ihn in heißes Wasser getaucht. Dann ruhte ihr Blick wieder auf seinem Gesicht, und die Belustigung war jetzt deutlicher.
Er hustete, denn er erinnerte sich – mit einer Mischung aus Verlegenheit und Lust – an eine Reihe interessanter Dinge, die sich bei ihrer letzten Begegnung zugetragen hatten. Äußerlich war sie eine einfache Frau, die auf die dreißig zuging und deren Gesicht und Verhalten eher dem einer autokratischen Nonne ähnelten als denen einer Hure. Unter dem schlichten Kalikokleid und der Musselinschürze jedoch … war sie ihren Preis wert, die gute Mistress Sylvie.
»Es soll kein Gefallen sein, aye?«, sagte er und wies kopfnickend auf die Geldbörse, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte. »Ich dachte, vielleicht könnten sie Lehrmädchen werden?«
»Lehrmädchen. In einem Bordell.« Sie sagte es nicht als Frage, doch ihr Mund zuckte erneut.
»Sie könnten ja als Dienstmädchen anfangen – hier gibt es doch sicher genug zu putzen? Nachttöpfe zu entlehren und Ähnliches? Und wenn sie sich dabei klug genug anstellen« – er sah die Mädchen seinerseits scharf an, und Hermione streckte ihm die Zunge heraus -, »könnt Ihr sie ja vielleicht als Köchinnen anlernen. Oder als Näherinnen. Hier gibt es doch gewiss viel zu flicken? Zerrissene Bettwäsche zum Beispiel?«
»Wohl eher zerrissene Nachthemden«, stellte sie fest. Ihr Blick huschte zur Decke, wo rhythmische Quietschgeräusche auf die Anwesenheit eines zahlenden Kunden hindeuteten.
Die Mädchen waren von ihren Hockern gerutscht und schlichen wie Wildkatzen durch den Salon, um sich alles haargenau – und misstrauisch – anzusehen. Er begriff plötzlich, dass sie noch nie eine Stadt gesehen hatten, vom Haus einer zivilisierten Person ganz zu schweigen.
Mrs. Sylvie beugte sich vor und ergriff die Geldbörse, die so schwer war, dass sie große Augen bekam. Sie öffnete den Beutel und schüttete sich ein wenig fettigen schwarzen Schrot in die Hand – und blickte scharf zu ihm auf. Er schwieg und lächelte nur. Dann streckte er die Hand aus, nahm ihr eine der schwarzen Kugeln ab, bohrte seinen Daumennagel hinein und ließ sie wieder in ihre Hand fallen. Der freigekratzte Streifen glitzerte golden in der Schwärze auf.
Sie spitzte die Lippen und wog den Beutel noch einmal in der Hand.
»Alles?« Seiner Schätzung nach waren es mehr als fünfzig Pfund in Gold; die Hälfte dessen, was er bei sich trug.
»Es wird keine einfache Aufgabe«, sagte er. »Ich glaube, Ihr werdet es Euch verdienen.«
»Das glaube ich auch«, sagte sie und beobachtete Trudy, die in aller Selbstverständlichkeit die Hose heruntergelassen hatte und sich in einer Ecke des Kamins erleichterte. Sobald das Geheimnis ihres Geschlechtes gelüftet war, hatten die Mädchen jedes Bedürfnis nach Zurückgezogenheit aufgegeben.
Mrs. Sylvie läutete ihre Silberglocke, und beide Mädchen wandten sich dem Geräusch überrascht zu.
»Warum ich?«, fragte sie.
»Mir ist sonst niemand eingefallen, der mit ihnen fertig werden könnte«, sagte Ian schlicht.
»Ich fühle mich sehr geschmeichelt.«
»Das solltet Ihr auch«, sagte er lächelnd. »Dann sind wir uns einig?«
Sie holte tief Luft und betrachtete die Mädchen, die flüsternd die Köpfe zusammengesteckt hatten und sie zutiefst argwöhnisch beäugten. Dann atmete sie aus und schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich ist es ja ein schlechter Handel – aber die Zeiten sind hart.«
»Was, in Eurem Geschäft? Ich würde doch denken, dass der Bedarf ziemlich konstant bleibt.« Er hatte es als Scherz gemeint, doch sie kniff missbilligend die Augen zusammen.
»Oh, die Kunden sind allzeit bereit, an meine Tür zu klopfen, ganz gleich, wie die Umstände sind«, sagte sie. »Aber sie haben heutzutage kein Geld – niemand hat Geld. Ich nehme ja sogar Hühner oder ein Stück Schinken – aber die Hälfte von ihnen hat nicht einmal das. Sie bezahlen mit Proklamationsgeld oder Kontinentalwährung oder dem Soldversprechen einer Milizeinheit
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