Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
der Waschküche und lauschte auf die üblichen Rumpel-, Schepper- und Kreischgeräusche von oben, doch es war nichts von trampelnden Füßen, umstürzenden Bauklötzen oder den schrillen Stimmen des Geschwisterkriegs zu hören.
»Jem!«, rief sie. »Wo bist du?«
Keine Antwort. Beim letzten Mal, als dies geschehen war, vor zwei Tagen, hatte sie ihren Wecker sauber in seine Bestandteile zerlegt am Boden der Badewanne
entdeckt, und beide Kinder hatten mit unnatürlich leuchtenden Unschuldsmienen am Ende des Gartens gespielt.
»Ich war’s nicht!«, hatte Jem tugendhaft erklärt, als sie ihn ins Haus zerrte und ihn mit ihren Beweismitteln konfrontierte. »Und Mandy ist noch zu klein.«
»Tu kein«, hatte ihm Mandy beigepflichtet und ihre schwarzen Locken so heftig geschüttelt, dass ihr Gesicht nicht mehr zu sehen war.
»Nun, ich glaube nicht, dass es Papa gewesen ist«, sagte Brianna und zog streng die Augenbrauen hoch. »Und ich bin mir sicher, dass es nicht Annie Mac war. Womit nicht mehr viele Verdächtige übrig bleiben, oder?«
»Dächtige, dächtige«, plapperte Mandy fröhlich, verzaubert von dem neuen Wort.
Jem schüttelte resigniert den Kopf und ließ den Blick über die verstreuten Rädchen und losen Zeiger schweifen.
»Wir müssen Kobolde haben, Mama.«
»Bolde, Bolde«, zwitscherte Mandy, die sich den Rock über den Kopf zog und an ihrer gerüschten Unterhose zerrte. »Muss mal, Mama!«
In der drangvollen Eile, die auf diese Worte folgte, war Jem geschickt verschwunden, um bis zum Abendessen nicht mehr aufzutauchen. Bis dahin war die Angelegenheit mit dem Wecker längst im üblichen Ansturm der Ereignisse untergegangen und kam erst zur Schlafenszeit wieder aufs Tapet, als Roger das Fehlen des Weckers bemerkte.
»Jem lügt normalerweise nicht«, hatte Roger nachdenklich gesagt, nachdem man ihm die kleine Keramikschale mit den Überresten der Uhr gezeigt hatte.
Brianna, die damit beschäftigt war, sich vor dem Schlafengehen die Haare zu bürsten, musterte ihn zynisch.
»Oh, du glaubst also ebenfalls, dass wir Kobolde haben?«
»Hm«, sagte er geistesabwesend und rührte mit dem Finger in dem Häufchen aus Zahnrädern herum. »Eigentlich gibt es in Schottland keine Kobolde. Schottland hat reichlich Feen und Elfenwesen«, sagte er, während er eine Handvoll Weckerinnereien aus der Schale hob und sie musikalisch wieder hineinklimpern ließ. »Aber die Schotten haben eher einen Hang zu den grimmigen Manifestationen des Übernatürlichen – Wasserpferde, Ban-sidhe und der Nuckelavee, aye? Kobolde sind ein bisschen zu frivol für Schottland. Wir haben zwar Hutzelmännchen«, fügte er hinzu und nahm ihr die Bürste aus der Hand, »aber das sind eher kleine Haushaltshelfer, keine Unfugstifter wie die Kobolde. Kannst du den Wecker wieder zusammensetzen?«
»Klar – falls die Kobolde keines von den Einzelteilen verloren haben. Was in aller Welt ist ein Nuckelavee? «
»Es kommt von den Orkney-Inseln. Nichts, was du direkt vor dem Schlafengehen hören möchtest«, versicherte er ihr. Und hatte sich über sie gebeugt und ihr dicht unter dem Ohrläppchen ganz sanft auf den Hals geatmet.
Das schwache Kribbeln bei der Erinnerung an die darauffolgenden Ereignisse
verdrängte ihren Argwohn in Bezug auf die Kinder, doch dann verblasste das Gefühl und wich wachsender Sorge.
Im Haus war keine Spur von Jem oder Mandy zu finden. Annie MacDonald kam samstags nicht, und die Küche … Auf den ersten Blick schien nichts zu fehlen, doch sie kannte sich mit Jems Methoden aus.
Und da, das Paket mit den Schokoladenkeksen fehlte genau wie eine Flasche Zitronenlimo, obwohl der Schrank ansonsten in bester Ordnung war – dabei war er einen Meter achtzig hoch. Jem hatte Talent zum Einbrecher, dachte sie. Immerhin würde er dann wissen, womit er sein Geld verdienen konnte, wenn man ihn eines Tages endgültig aus der Schule warf, weil er seinen Klassenkameraden erneut Kuriositäten aus dem achtzehnten Jahrhundert erzählt hatte.
Die fehlenden Lebensmittel zerstreuten das beklommene Gefühl. Wenn sie irgendwo picknickten, konnten sie zwar im Umkreis einer halben Meile überall sein – weiter lief Mandy nicht -, doch wahrscheinlich waren sie nicht allzu weit gekommen, bevor sie sich hingesetzt hatten, um Kekse zu vertilgen.
Es war ein ausnehmend schöner Herbsttag, und obwohl sie ihren beiden Missetätern nachspüren musste, war sie froh, draußen in der Sonne und an der Luft zu sein. Die Socken konnten warten, genau
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