Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
New Haven erreichten. Falls wir je dort ankommen, meldete sich mein Hinterkopf skeptisch zu Wort, doch ich ignorierte diese Anmerkung, weil sie uns wahrhaftig nicht weiterhalf.
    Ich sehnte mich danach, in den Schlaf zu sinken, genauso sehr, um den Ängsten und Unsicherheiten meiner Gedanken zu entfliehen, wie um meinem geplagten Körper die Gelegenheit zur Heilung zu geben. Doch ich war so müde, dass mein Verstand begonnen hatte, sich von meinem Körper zu trennen.
    Das war ein bekanntes Phänomen. Ärzte, Soldaten und Mütter erleben es immer wieder; auch mir war es schon oft so ergangen. Wenn der Verstand im Nebel der Erschöpfung nicht mehr in der Lage ist, auf eine Notsituation zu reagieren, geht er einfach ein wenig auf Abstand und trennt sich sauber von den überwältigenden, selbstsüchtigen Bedürfnissen des Körpers. Aus dieser klinischen Distanz kann er die Dinge steuern, indem er Gefühle, Schmerzen und Müdigkeit umgeht, notwendige Entscheidungen trifft und kaltblütig die blinden Bedürfnisse des Körpers nach Nahrung, Wasser, Schlaf, Liebe oder Trauer außer Kraft setzt und ihn über seine Grenzen hinwegtreibt.
    Warum eigentlich Gefühle?, fragte ich mich dumpf. Ein Gefühl war doch
wohl eine Funktion des Verstandes. Und doch schien es so tief im Körper verwurzelt zu sein, dass diese Verabschiedung des Verstandes auch die Gefühle unterdrückte.
    Ich glaube, dass sich der Körper in solchen Momenten wehrt. Missachtet und missbraucht, lässt er den Verstand nicht einfach so zurückkehren. Oft dauert die Trennung an, bis man endlich schlafen kann. Während sich der Körper in aller Stille intensiv mit seiner Heilung beschäftigt, lässt sich der Verstand allmählich wieder in seiner aufgewühlten Hülle nieder, tastet sich vorsichtig über die gewundenen Pfade der Träume vor und schafft den erwünschten Frieden. Und beim Erwachen ist man wieder eins.
    Nicht jedoch ich. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas zu tun war, hatte aber keine Ahnung, was. Ich hatte den Männern das Essen aufgetischt, hatte auch den Gefangenen Verpflegung geschickt, nach den Verletzten gesehen, alle Pistolen neu geladen, den Kochtopf gespült … Mein erlahmender Verstand leerte sich allmählich.
    Ich legte meine Hände auf den Tisch, an dem ich nach wie vor saß. Meine Fingerspitzen tasteten sich an der Holzkörnung entlang, als seien die kleinen Rillen, die durch jahrelangen Gebrauch glatt geworden waren, die Landkarte, die es mir ermöglichen würde, meinen Weg in den Schlaf zu finden.
    Vor meinem inneren Auge konnte ich mich dasitzen sehen. Schlank, beinahe abgehärmt; die Kante meiner Speiche malte sich deutlich unter der Haut meines Unterarms ab. Während der letzten Wochen der Reise war ich dünner geworden, als mir bewusst gewesen war. Meine Schultern waren vor Erschöpfung vornübergesunken. Mein Haar bestand aus einer buschigen, verknoteten Masse wilder Strähnen, von Silber und Weiß durchzogen, ein Dutzend Schattierungen aus Dunkel und Licht. Es erinnerte mich an etwas, das mir Jamie erzählt hatte, eine Redensart der Cherokee – sich die Schlangen aus dem Haar kämmen, das war es. Den Verstand von Sorge, Wut, Angst und der Besessenheit durch Dämonen zu befreien – das war es, sich die Schlangen aus dem Haar zu kämmen. Sehr treffend formuliert.
    Natürlich besaß ich im Moment nicht einmal einen Kamm. Ich hatte zwar einen in der Tasche gehabt, ihn aber verloren.
    Mein Verstand fühlte sich an wie ein Ballon, der hartnäckig an seiner Leine zerrte. Doch es widerstrebte mir, ihn loszulassen; plötzlich kam mir die irrationale Angst, dass er nicht mehr zurückkehren würde.
    Also konzentrierte ich mich stattdessen mit aller Kraft auf die Details meiner Umgebung: das Gewicht des Hühnereintopfs und des Brotes in meinem Magen, den Geruch des Öls in den Lampen, heiß und fischig. Die Schritte auf dem Deck über mir und den Gesang des Windes. Das Zischen des Wassers an den Bordwänden.
    Das Gefühl einer Klinge, die in einen Körper eindringt. Nicht machtvoll und zielsicher, nicht zum Zweck der planvollen Zerstörung einer Operation, die Schaden anrichtet, um zu heilen. Panisches Zustechen, der stockende Ruck
einer Klinge, die unerwartet auf einen Knochen trifft, das wilde Torkeln eines Messers außer Kontrolle. Und der große dunkle Fleck auf dem Deck, der frisch und nass nach Eisen roch.
    »Das habe ich nicht gewollt«, flüsterte ich laut. »O Gott. Das habe ich nicht gewollt.«
    Ohne jede Vorwarnung begann ich

Weitere Kostenlose Bücher