Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
das Gebet gedacht, das den Seelen den Weg wies – geschweige denn es gesprochen -, und ich holperte durch die Zeilen. Ian sprach es, ohne zu zögern, und ich fragte mich, wie oft er es im Lauf der Jahre schon benutzt hatte.
Die Worte erschienen mir kümmerlich und ohnmächtig, und sie gingen im
Heugeraschel und den Geräuschen der kauenden Mäuler unter. Doch sie gesprochen zu haben, spendete mir einen Hauch von Trost. Vielleicht lag es ja nur daran, dass man durch das Gefühl, sich an etwas Größeres zu wenden, den Eindruck bekommt, dass es tatsächlich etwas Größeres gibt – und das muss es auch, weil man selbst der Situation ja eindeutig nicht gewachsen ist. Ich war es jedenfalls nicht.
Eine Zeit lang saß Ian mit geschlossenen Augen da. Schließlich öffnete er sie und sah mich an. Seine Augen waren schwarz und weise, das Gesicht unter den Bartstoppeln sehr bleich. »Und dann, hat er gesagt, lebst du damit«, sagte er leise.
Er rieb sich das Gesicht.
»Aber ich glaube, ich kann das nicht.« Er konstatierte nur eine simple Tatsache, und ich bekam einen furchtbaren Schrecken. Ich hatte keine Tränen mehr, doch ich hatte das Gefühl, in ein schwarzes, bodenloses Loch zu schauen – und den Blick nicht abwenden zu können.
Ich holte tief Luft und suchte nach Worten, zog ein Taschentuch aus meiner Tasche und gab es ihm.
»Atmest du, Ian?«
Sein Mund zuckte ein wenig.
»Aye, ich glaube schon.«
»Das ist fürs Erste alles, was du tun musst.« Ich stand auf, strich mir das Heu aus den Röcken und hielt ihm die Hand hin. »Komm mit. Wir müssen zurück zur Hütte, bevor wir hier eingeschneit werden.«
Der Schnee war dichter geworden, und ein Windstoß löschte die Kerze in meiner Laterne. Es spielte keine Rolle; ich hätte die Hütte sogar mit verbundenen Augen gefunden. Ian ging wortlos vor mir her und trat einen Pfad in den frisch gefallenen Schnee. Er hatte den Kopf in den Sturm gebeugt und die schmalen Schultern hochgezogen.
Ich hoffte, dass ihm das Gebet geholfen hatte, zumindest ein wenig, und fragte mich, ob die Mohawk wohl eine bessere Methode hatten, mit ungerechten Todesfällen umzugehen, als die katholische Kirche.
Dann begriff ich, dass ich ganz genau wusste, was die Mohawk in einem solchen Fall tun würden. Ian wusste es ebenfalls; er hatte es schon einmal getan. Ich zog den Umhang dichter um mich und fühlte mich, als hätte ich eine große Kugel aus Eis verschluckt.
4
VORERST NOCH NICHT
N ach heftigen Diskussionen wurden die beiden Leichen vorsichtig ins Freie getragen und an den Rand der Veranda gelegt. Es war einfach kein Platz, um sie im Innenraum anständig aufzubahren, und angesichts der Umstände …
»Wir können den alten Arch nicht länger im Zweifel lassen, als wir gezwungen sind«, hatte Jamie gesagt und den Streitgesprächen ein Ende gesetzt. »Wenn die Leiche deutlich sichtbar dort liegt, kann es sein, dass er sich zeigt – oder auch nicht. Aber dann weiß er, dass seine Frau tot ist.«
»So ist es«, sagte Bobby Higgins und blickte beklommen zum Wald. »Und was glaubt Ihr, was er dann tut?«
Jamie stand da, blickte zum Wald und schüttelte den Kopf.
»Trauern«, antwortete er leise. »Und morgen früh sehen wir dann, was zu tun ist.«
Es war keine normale Totenwache, aber wir verliehen ihr so viel Würde, wie wir konnten. Amy hatte für Mrs. Bug ihr eigenes Leichentuch gestiftet – das sie nach ihrer ersten Hochzeit genäht und sorgfältig aufbewahrt hatte -, und Großmütterchen MacLeod kleideten wir in die Überreste meines zweiten Hemdes und ein paar Schürzen, aus denen wir hastig etwas Respektables nähten. Sie wurden Fuß an Fuß je auf eine Seite der Veranda gelegt, und wir stellten jeder Toten ein Tellerchen Salz und eine Scheibe Brot auf die Brust, obwohl kein Sündenesser in der Nähe war. Ich hatte ein kleines Tonöfchen mit Kohlen gefüllt und es neben sie gestellt, und wir einigten uns darauf, dass wir uns im Lauf der Nacht abwechselnd zu den Toten setzen würden, da nicht mehr als zwei oder drei Personen auf die Veranda passten.
»Es hatte geschneit, und der Mondschein lag so silbern auf allem, als sei’s heller Tag«, sagte ich leise. Denn genau so war es; der Dreiviertelmond warf ein reines, kaltes Licht, das jeden einzelnen verschneiten Baum so deutlich und zart wie auf einer japanischen Tuschezeichnung hervortreten ließ. Und weiter entfernt in den Ruinen des Haupthauses verbargen die verkohlten Mikadostäbchen, was immer auch darunterlag.
Jamie
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