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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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du deinen Finger auch?«, fragte er neugierig und wies mit dem Kinn auf Jamies rechte Hand.
    »Nun … aye, das tue ich. Nicht die ganze Zeit, aber hin und wieder – und das Gemeine daran ist, dass er zwar fort ist, aber trotzdem höllisch schmerzt, und das erscheint mir ungerecht.«
    Danach hätte er sich auf die Zunge beißen können, denn Ian war dem Tode nah, und er jammerte darüber, dass er den Verlust seines Fingers ungerecht fand. Doch Ian keuchte vor Belustigung und lehnte sich kopfschüttelnd zurück.
    »Wenn das Leben gerecht wäre, was dann?«
    Eine Weile saßen sie da und schwiegen kameradschaftlich, während sie zusahen, wie der Wind durch die Kiefern auf dem Hang gegenüber fuhr. Dann griff Jamie in seinen Sporran und zog das kleine, weiß eingewickelte Päckchen hervor. Es war in Jamies Sporran ein wenig schmutzig geworden, doch es war noch unversehrt in seiner festen Umhüllung.
    Ian beäugte das kleine Bündel auf seiner Handfläche.
    »Was ist das?«
    »Mein Finger«, sagte Jamie. »Ich – nun ja … Ich habe mich gefragt, ob es dir wohl etwas ausmachen würde, wenn er mit dir beerdigt würde.«
    Ian sah ihn einen Moment fassungslos an. Dann begannen seine Schultern zu beben.
    »Himmel, nicht lachen!«, warnte Jamie alarmiert. »Ich wollte dich nicht zum Lachen bringen. Jenny wird mich umbringen, wenn du dir deine Lunge aus dem Leib hustest und hier draußen stirbst.«
    Ian hustete tatsächlich, in Anfällen, die von langgezogenen keuchenden
Lachern unterbrochen wurden. Tränen der Belustigung standen ihm in den Augen, und er presste sich beide Fäuste vor die Brust, während er nach Atem rang. Schließlich jedoch verebbte der Anfall, und Ian richtete sich langsam auf, während er keuchte wie ein Blasebalg. Er zog die Nase hoch und spuckte ganz beiläufig eine grauenvoll scharlachrote Masse zwischen die Felsen.
    »Ich würde lieber hier draußen sterben, während ich über dich lache, als in meinem Bett, während sechs Priester für mich beten«, schnaufte er. »Ich bezweifle aber, dass ich die Chance dazu bekommen werde.« Er streckte seine Hand aus. »Aye, gib her.«
    Jamie legte ihm den kleinen, weiß eingewickelten Zylinder in die Hand, und Ian steckte sich den Finger beiläufig in den eigenen Sporran.
    »Ich bewahre ihn für dich auf, bis du mich einholst.«
     
    ER STIEG ZWISCHEN DEN BÄUMEN HINUNTER BIS AN DEN RAND DES MOORSTÜCKS unterhalb der Höhle. Es war klirrend kalt. Dazu wehte eine steife Brise, und das Licht änderte sich über der Landschaft wie die Flügelschläge eines Vogels, während die langen Wolken flüchtig über ihn hinweghuschten. Er hatte heute Morgen einen Rotwildwechsel in der Heide entdeckt, der sich jedoch auf einem steinigen Hang verloren hatte, und jetzt war er auf dem Rückweg zum Haus. Er befand sich auf der Rückseite des Hügels, auf dem der Turm stand und der auf dieser Seite dicht mit einem Wäldchen aus Buchen und Kiefern bewachsen war. Den ganzen Morgen hatte er keinen Hirsch gesehen, nicht einmal einen Hasen, doch das kümmerte ihn nicht.
    Bei so vielen Menschen im Haus hätten sie das Wild natürlich gut brauchen können – doch er war einfach nur froh, im Freien zu sein, auch wenn er mit leeren Händen zurückkam.
    Er konnte Ian nicht ansehen, ohne ihm ins Gesicht starren zu wollen, ihn sich ins Gedächtnis prägen zu wollen, sich diese letzten Bruchstücke seines Schwagers auf dieselbe Weise zu eigen zu machen, wie er sich an besondere Augenblicke erinnerte, die er bei Bedarf hervorholen und erneut durchleben konnte. Gleichzeitig jedoch wollte er Ian nicht so in Erinnerung behalten, wie er jetzt war; besser zu behalten, was er von ihm hatte: Feuerschein auf Ians Profil, während er hemmungslos lachte, weil er Jamie beim Armdrücken besiegt hatte, sie beide mit seiner drahtigen Kraft überrascht hatte. Ians lange Hände mit den knotigen Gelenken auf dem Messer, mit dem er ein Tier ausweidete, der Ruck und der scharfe Metallgeruch des Blutes, das ihm die Finger verschmierte, der Anblick seines braunen Haars, das im Wind des Sees wehte, sein schmaler Rücken, der sich sehnig wie ein Bogen beugte, als er sich bückte, um eines seiner kleinen Kinder oder Enkelkinder vom Boden aufzuheben und es kichernd in die Luft zu werfen.
    Es war gut, dass sie gekommen waren, dachte er. Mehr als gut, dass sie den Jungen noch so zeitig gebracht hatten, dass er sich als Mann mit seinem Vater unterhalten konnte, seinen Vater beruhigen und sich richtig

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