Highland Secrets 2
Waldluft. Ich roch Ians Aftershave. »Wir haben dich«, flüsterte er. Ich blinzelte. War mir nicht sicher, ob ich träumte. Doch als ich endlich sehen konnte, war Ians markantes Kinn das erste, was ich erkannte. Meine Wange lag an seiner Brust. Scheinbar trug er mich. Über uns bewegten sich Baumwipfel und manchmal blitzte die Sonne hindurch.
»Ian?« Meine Stimme klang tonlos, ein heiserer, rauchiger Ton. Ich wurde auf die Liege eines Rettungswagens abgesetzt. Ian stützte mich, indem er sich neben mich setzte und mich an seinen Körper zog. Ich schmiegte mich seufzend an ihn. »Ich bin nicht tot?«
»Nein, Schatz.«
Langsam kam ich zu mir. Um mich herum standen sämtliche Bewohner von Glenoak Hall. Außer Darren. Dafür gab es zwei Sanitäter und mehrere Polizisten. Und alle sahen mich halb besorgt, halb lächelnd an. Jemand reichte Ian eine Flasche mit Wasser, der sie mir an die Lippen hielt. Ich trank und wusste nicht zu sagen, ob das Wasser meiner Kehle gut tat oder mir das Schlucken noch mehr Schmerzen bereitete. Ein Mann leuchtete mit einer kleinen Lampe in meine Augen und tastete die Wunde über meiner Stirn ab.
»Keine Gehirnerschütterung. Aber bevor Sie sie in die Mangel nehmen und ausquetschen, würde ich sie gerne über Nacht mit ins Krankenhaus nehmen.« Der Mann war wohl ein Arzt.
Das Wort Krankenhaus riss mich vollends aus meinem Dämmerzustand. »Krankenhaus! Meine Mutter! Wie geht es ihr?«
Ian küsste mich auf den Kopf. »Keine Sorge, es geht ihr gut. Zwei angeknackste Rippen und eine Platzwunde am Kopf.«
Erleichtert atmete ich auf und sank müde gegen Ian. Ganz war mir noch nicht bewusst, dass ich der Finsternis und meinem Sarg entkommen war. Das Wissen tröpfelte nur langsam in mein Bewusstsein. Aber Ians beschützende Umarmung signalisierte mir Sicherheit und ich entspannte mich.
17. Kapitel
Meine Mutter und ich lagen im selben Zimmer. Sie hatte darauf bestanden und die Schwestern so lange beschimpft und bearbeitet, bis diese mich mitsamt meines Bettes zu ihr in das Zimmer schoben. Danach hatte sie sich zufrieden damit gegeben, mich eine kleine Ewigkeit lang in den Armen zu halten und mir zu schwören, dass sie mich nie wieder aus den Augen lassen würde. Mit nie wieder meinte sie, sie würde ihr Haus verkaufen und nach Edinburgh ziehen. So rührend ich ihre Pläne fand, eine dauerhafte Beobachtung durch meine Mutter jagte mir eher eine Gänsehaut über den Rücken, statt mich zu erfreuen. Als liebende Tochter hatte ich ihr zwar erklärt, dass die Umstände nicht nötig wären, aber als sie weiter darauf bestanden hatte, hatte ich, Begeisterung vortäuschend, nachgegeben.
Den Rest des Abends hatten wir ferngesehen, umgeschaltet, wenn Nachrichten kamen, um nicht mit unseren Erlebnissen konfrontiert zu werden, bis meine Mutter beschloss, dass Verdrängung kein Weg für Verarbeitung wäre.
Also zwang sie mich, über meine Ängste zu reden. Und ich schilderte ihr, wenn auch zurückhaltend, wie ich mich gefühlt hatte, als der Kompressor ausfiel und es dunkel um mich herum wurde. Wie es war, Darren vollkommen ausgeliefert zu sein – gar nicht wie in meinem Buch – und wie sehr ich Darren für das, was er getan hatte, hassen wollte, wie wenig ich es aber konnte. Und ich konnte ihn wirklich nicht hassen. Ein Teil von mir betrachtete ihn noch immer als Freund und trauerte um seinen Verlust, obwohl ich ihn kaum gekannt hatte. Der andere Teil empfand Wut, aber keinen Hass. Es kam mir falsch vor, so zu fühlen, und ich versuchte sogar, den Hass zu erzwingen, aber es ging nicht. Umso erstaunter war ich, als meine Mutter sagte, dass sie ihn auch nicht hassen konnte.
»Er ist mit mir gesprungen, aber – ich weiß, das klingt merkwürdig -, aber als wir fielen, hat er sich unter mich gedreht und mich fest an seinen Körper gedrückt. Und dann sagte er: »Man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Das nächste Mal werden wir Freunde. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.« Ich bin mir sicher, dass er bereut hat.« Meine Mutter rieb sich über ihren Unterarm und sah mich bedauernd an.
Kathrin und Kiran kamen mit Kaffeebechern in unser Zimmer. Erst lächelte Kathrin und dann, als sie mich umarmte, traten Tränen in ihre Augen.«
»Fang bloß nicht an zu heulen, sonst heule ich auch«, sagte ich seufzend und stöhnte, als sie mir einen Kuss auf meine geschwollene Wange hauchte.
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ian kommt später. Er gibt noch ein Interview für die Nachrichten. Da er
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