Highlander und die Hure
den Highlands immer häufiger durch die Gebräuche des Königs verdrängt, und so interessierte sich Stout Duncan in keiner Weise für seine anderen Söhne und setzte alles daran, Iain in seiner Rolle als der Erstgeborene zum nächsten Laird zu machen – was letztlich auch geschehen war.
Das Verhalten ihres Bruders bestand darin, erst zu handeln, dann Schuld und Reue zu empfinden und schließlich zu reagieren. Sie hatte miterlebt, wie er zum Mann heranwuchs und immer wieder die gleichen Fehler machte, da er nicht in der Lage war, erst seinen Kopf zu gebrauchen. Stattdessen machte er gedankenlos und vorschnell einen Zug, der weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Was ihr eigenes Verhalten anging, war sie zu der Erkenntnis gekommen, dass sie eine Beobachterin war. Sie beobachtete die Leute um sich herum und versuchte dann, jeden von ihnen auf den richtigen Weg zu bringen. Wenn das nicht so verlief, wie sie es sich vorgestellt hatte, mischte sie sich ein, obwohl sie das nicht machen sollte. Durch ihre Einmischung war Beitris als Iains Frau nach Dunalastair gekommen, was zu der schrecklichen Konsequenz geführt hatte …
Entschieden schüttelte sie den Kopf. Sie durfte jetzt nicht über alle Folgen nachdenken, die ihre Verkupplungsbemühungen nach sich gezogen hatten. Marian hob den Kopf und sah Duncan an, der sie betrachtete, als hätte sie soeben irgendetwas Entscheidendes über sich enthüllt.
„Wie kannst du das wissen?“, fragte er und blieb stehen.
„Es ist deine Art. Andere Männer nehmen sich, was ihnen zusteht, sie legen keine Rechenschaft ab, sie fragen niemanden. Aber du versuchst, allem auf den Grund zu gehen, um mit Logik und vernünftigen Argumenten das Unannehmbare annehmbar zu machen. Ich habe dich dabei beobachtet, und gerade jetzt machst du es schon wieder.“
„Du glaubst, du hast nach unserer kurzen gemeinsamen Zeit bereits meine Vorgehensweise durchschaut?“
Wie konnte sie ihm am besten ihre Fähigkeit erklären? Sollte sie es überhaupt versuchen? Doch, zumindest in diesem Punkt verdiente er die Wahrheit. „Ich sehe, wie du denkst und wie du handelst, Duncan. Das ist etwas, das ich beherrsche“, erklärte sie, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie es ihm so darlegte, wie sie eigentlich wollte. „Du verlässt dich nie auf den ersten Eindruck. Du forschst nach, stellst Fragen, sammelst Informationen, und wenn du alles weißt, was es zu wissen gibt, wägst du ab, und erst dann handelst du. Deshalb hast du mich geheiratet, anstatt mit Händen und Füßen zu versuchen, dich aus dieser Situation zu retten, wie es die meisten anderen Männer an deiner Stelle gemacht hätten.“
Er bekam den Mund nicht mehr zu, und Marian wusste, wie sehr sie ihn verblüfft hatte. Er hatte mit allem gerechnet, jedoch nicht mit so etwas.
„Ich kenne dich zwar erst seit ein paar Tagen, aber selbst jetzt, wo du das Recht hast, mit mir und meiner Tochter anzustellen, was immer du willst, wartest du ab und versuchst, alles über uns herauszufinden. Erst wenn du alles weißt, wirst du handeln. Ob du dann zu unseren Gunsten handelst oder nicht, das wird sich danach entscheiden, was deine Erkenntnisse ergeben haben – ob wir für deinen Clan von Nutzen sind oder ob wir ihm Schaden bringen werden.“
„Wie geht das? Wie kannst du so viel über mich wissen?“
„Dein Ruf eilt dir voraus, Friedensstifter.“
Er akzeptierte den amüsierten Unterton in ihren Worten und wollte eben etwas erwidern, da hörte er, wie einer seiner Männer den Befehl zum Anhalten gab. Das würde ihre letzte Rast sein, bevor sie Lairig Dubh erreichten. Ihr Scharfsinn war bemerkenswert und zugleich ein wenig beängstigend. Es gab noch mehr Fragen, die er ihr stellen wollte, aber die mussten erst einmal eine Weile warten. Im Augenblick musste er sie zu ihrer Tochter zurückbringen, sich darum kümmern, dass es ihr gut ging, und ihr eine letzte Gelegenheit geben, sich umzuziehen, was anscheinend jede Frau machte, wenn sie wusste, dass sie neue Menschen kennenlernen würde.
Schließlich war Marian zuallererst eine Frau, und erst dann … Nun, es würde wohl eine Weile dauern, ehe er dahinterkam, was sie sonst noch alles war. Aber er würde es herausfinden.
13. KAPITEL
Vor ihnen ragte am Ende eines steilen Pfads das finstere Gemäuer von Broch Dubh in den Himmel. Der Weg vom Dorf zog sich durch die Hügel und endete vor den Toren der beeindruckenden Burg mit ihren vier Türmen, die sich über die hohen und dicken
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