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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil Adamson
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Schubkarre liegt wie ein Krake. Bishop mit seinen Narben, alten und neuen, seiner dicken Lippe, seinem röchelnden Schnarchen, das aus der Badewanne dringt.
    Bishop hat auch nette Seiten: Er redet mit Hunden. Nicht nur »Hierher!« und »Braver Junge«. Sondern eher: »Trau nie einem Hammer, Toby, selbst dann nicht, wenn du letzte Woche den Kopf neu verkeilt hast«; oder: »Die Welt ist traurig, Buster. Das hätten dir deine Freunde sagen sollen.« Und die Hunde starren ihn an und legen den Kopf schief und fiepen. In Bishops Nähe gibt es Hunde, die niemandem gehören, vielleicht acht Stück, große Hunde, die alle gleich aussehen. Als wären sie eine eigene Rasse, sagt mein Bruder, eine Rasse von Riesenhunden, die nur nachts hervorkommen und am Fluss entlangstromern, wo sie nach Glühwürmchen schnappen, Löcher in den Lehm buddeln und sich gegenseitig die Flanken aufreißen. Sie kommen und gehen nachts wie die Waschbären, und Bishop füttert sie, sitzt einsam im Licht einer Lampe und wirft den dunklen Wesen, die sich jenseits des Lichtkreises bewegen, altes Brot hin. Er spricht zu ihnen, ruft sie, schmeichelt ihnen, was für kluge, tolle, schöne Hunde sie sind. Nachts pressen sie die Schnauzen an seine Fliegengittertür und hecheln ihn an, oder sie sitzen heulend und jaulend am Fluss, und Bishop überkommt dann ein heimatliches Gefühl.
    Jetzt ist er wach, eine im Wannenweiß treibende Gestalt.
    »North?«, ruft er nach meinem Vater. »Bist du schon auf?« Für ihn ähnelt die Wanne, die ihn umschließt, dem endlosen arktischen Morgen, alles spiegelt die blaue Sonne wider, vor der es kein Entrinnen gibt. Bishop hat den Gesang und das Murmeln des Eises gehört, das Zischen des trockenen, vom Wind umhergeblasenen Schnees. Er hat riesige, tranig-fettige Vögel geschossen, damit er etwas zu essen hatte, Karibus, vor Hunger rasend gewordene Hunde. Sein Porträt wurde im Life- Magazin abgedruckt: Bishop neben einer vom Wind umgewehten Wellblechhütte, das Gesicht vor lauter Schals, Bart und Fell kaum zu erkennen. Unter dem Foto steht: Dieser Mann hat mein Leben gerettet . »Nichts als Scheiß!«, hatte die letzte Auntie geschrien; bei der Erinnerung krümmt sich Bishop in seiner Badewanne.
    »He«, ruft er nach seinem Bruder, »bist du noch da?«
    Aber mein Vater ist schon fort, hat seltsame Pfotenabdrücke von der Motorhaube gewischt, die Wagentür zugeschlagen und ist in Richtung Schnellstraße losgefahren. Auf beiden Seiten des Fahrwegs ragen die Berge auf; im Auto versucht es mein Vater mit Summen, wie immer, wenn er Kopfschmerzen hat. Die Luft ist leicht und kühl, die Reifen rattern über die Fahrbahn aus trockenem Lehm. Dad bremst ab, als er über eine Brücke kommt, und blickt hinunter in das sirupbraune Wasser, in dem sein Bruder dahingetrieben ist wie ein abgebrochener Ast, singend, klagend und die letzte Auntie bei allen ihren geheimen Namen rufend. Bei den Namen, die er ihr ins Ohr geflüstert hatte, ihr und allen anderen verflossenen Aunties und auch jedem kleinen Kind, das beim Einschlafen von der Arktis träumte, vom offenen Meer und all dem Außergewöhnlichen, das im Leben möglich ist.

Hilf mir, Jacques Cousteau
    Die Lampen im Haus sind ausgegangen. Andrew läuft erst zum Fenster, dann auf die Straße. Als er zurückkommt, berichtet er, dass in allen anderen Häusern Licht brennt. Ich schaue selber nach und sehe, dass auch bei uns oben die Lampen noch an sind. Der Fernseher übrigens auch. Im Wohnzimmer schwimmt Jacques Cousteau herum und starrt mich und meinen Bruder an, und wir starren aus dem Dunkel zurück. Ein riesiger schwarzer Hai zieht vorbei. Im Keller scheppert es, Dad flucht lange und anatomisch detailfreudig. Eine Weile ist es still, dann scheppert es ein zweites Mal. Dad verkabelt das Haus wieder einmal neu.
    An diesem Tag trete ich auf ein Kabel, das unter Strom steht. Ich gehe die Kellertreppe hinunter mit der Absicht, Dad lästig zu fallen und ihm Rätsel aufzugeben, die ich mir mühsam gemerkt habe. Ich steige von der letzten Holzstufe auf den Betonboden herunter, und als ich wieder zu mir komme, stehe ich – immer noch aufrecht – eineinhalb Meter weiter vorn, und mein ganzes Innenleben tut höllisch weh.
    »Du lieber Himmel!« Dad schüttelt den Kopf. »Das hat sicher höllisch wehgetan.« Nein, behaupte ich, da atmet er auf und macht sich wieder an die Arbeit. Ich kriege gar nicht mit, wie durcheinander ich bin; ich stelle ihm meine Rätselfragen, verwechsle aber alle Pointen.

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