Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
fast fertig, da sehe ich eine Gestalt in der Tür, einen kleinen Dicken im Streifen-T-Shirt.
»Warum ist es so dunkel?«
Das ist Taylor. Er ist fünf. Taylor sieht aus, als hätte jemand Popeye in einen Topf gesteckt und einkochen lassen. Er spuckt absolut treffsicher. Ab und zu zwickt er mich in den Hintern, den hat er ja auf Augenhöhe. Ich habe mir meinen Schock nie anmerken lassen und gedacht, Taylor könne doch unmöglich wissen, was er tut. Schließlich ist er erst fünf. Aber in letzter Zeit frage ich mich doch, ob ich mich da nicht täusche.
»Was ist denn mit eurem Licht?«, bohrt Taylor nach, und ich erkläre ihm, dass Dad das Haus neu verkabelt. Er hört Mum lachen und fängt an herumzuzappeln wie ein aufgeregter Hund. Dann hört er Andrews Stimme und trampelt los, auf die Treppe zu.
»Taylor!«, rufe ich.
Pünktlich ertönt Dads Stimme: »Heiliger Strohsack! Hast du den hüpfen sehen?«
Der große blaue Anzug
Über meine Mutter weiß ich nur wenig mit Bestimmtheit; dass sie Hochzeiten hasst, gehört dazu. Nehmen wir gleich die von heute Vormittag. Die Limousine ist auf der verschneiten Straße ausgebrochen und schleudert um ihre eigene Achse. Wir sind alle am Kreischen. Draußen stottern die Bäume vorbei und mit ihnen die Wolken.
Bis zur Kirche sind es noch zehn Minuten, und wegen des Wetters sind wir schon jetzt zu spät dran. Die Limousine ist vollgepackt mit mir, meinem Bruder, Tante Netty, meiner Mutter, »Auntie« Odelia und Mrs. Furstall, Odelias Mutter, die niemand leiden kann. Meine Mutter umklammert mit beiden Händen meine Faust und drückt sie mit eisernem Griff an ihre Wange. Die weißen Ballons zu unseren Füßen wirbeln und hüpfen an den Fenstern hoch und bleiben oben hängen, bis der Wagen schließlich mit einem leichten Ruck zum Stehen kommt. Die Welt steht komisch auf der Kippe. Meine Mutter sitzt starr da. Netty bemüht sich, nicht über Odelia zu fallen, die ganz allein den geräumigen Boden der Limousine einnimmt, die Füße gegen die Tür gestemmt – sie steht praktisch auf ihr, hysterisch lachend, und schlenkert mit den Händen.
»Na, Sie sind mir ja ein toller Fahrer«, sagt Mrs. Furstall zu dem Chauffeur, der nicht älter als siebzehn sein kann. Er drückt die lange Fahrertür nach oben und versucht, aus seinem Sitz ins Freie zu klettern. Mrs. Furstall, die über uns allen thront, klatscht ihm ihre Handtasche gegen den Hintern.
Odelia ist auch so eine von Bishops Frauen und will ihn aus unerfindlichen Gründen heiraten. Deswegen sitzen wir hier und spießen uns gegenseitig die Ellbogen in die Ohren. Wir rutschen nacheinander zur Tür hinaus, vorsichtig, damit wir nicht alle auf einem Haufen landen, und samt Pumps, Nylonstrümpfen, Seidenkleidern und darüber unseren schäbigen Alltagsmänteln versinken wir einer nach dem anderen im Schnee. Die künftige Braut rafft ihr Hochzeitskleid in die Höhe, um es vor dem Schnee zu retten, und durch die enge weiße Strumpfhose zeichnet sich deutlich ihr raffiniertes schwarzes Spitzenhöschen ab. Der Anblick erinnert mich an ein Gesicht, das sich an eine Fensterscheibe presst. Odelia starrt entsetzt nach unten, wo ihre Beine im Schnee verschwinden.
»Mama!«, heult sie auf.
Das ist nicht die einzige Hochzeit, bei der wir in letzter Zeit waren. Es gab eine im Herbst; ich hatte mein grauenhaftes rosa Kleid an, das mir jetzt, mit fünfzehn, kaum noch passt, und Andrew seinen viel zu großen taubenblauen Anzug. Heather, eine Freundin meiner Mutter, heiratete zum zweiten Mal, diesmal einen Schotten, der ein so breites Schottisch sprach, dass er bestimmt direkt von seinem Hügel ins Flugzeug nach Kanada gestiegen war. Die Kirche war ein grauer Steinbau ohne Schmuck und Heizung, mit einem riesigen Eichenaltar und dahinter einem lebensgroßen Eichenkreuz. Das Ganze erinnerte an einen Kühlraum. Wir kauerten uns auf den vordersten Bänken aneinander, und als sich mein Vater schnäuzte, hallte das Echo von den Wänden wider. Dann plärrte im Vorraum ein Dudelsack los, dass uns die Haare zu Berge standen. Vom Gottesdienst bekamen wir kein Wort mit, weil der Priester so leise vor sich hin nuschelte; dem Bräutigam, der wie gelähmt war, musste man gut zureden; die Braut kicherte beim Ehegelübde und streckte beim Kuss den großen Zeh nach hinten.
Schließlich vertrieb uns der Dudelsack aus der Kirche, ins Herbstlaub hinaus, wo wir mit triefender Nase und blauen Lippen in einem schiefen Zelt herumstanden. Der Vater des Bräutigams setzte
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