Hilflos in deinen Armen
aber, um sich mit eigensinnigen jungen Damen zu verlustieren.
„Sir Bayard de Boisbaston, dies ist Dunstan de Corley, der Burgvogt zu Averette“, sagte sie, indem sie den jungen Mann vorstellte. „Dunstan, Sir Bayard bringt uns Kunde von Adelaide. Bitte begleitet uns in meine Kemenate.“
Sie wandte sich zum Rittersaal, hielt aber auf der Treppe inne und drehte sich noch einmal herum zum Hof. „Iain“, rief sie. „Ich möchte, dass Ihr ebenfalls mitkommt in mein Gemach.“
Der Schotte schloss sich den dreien an, und schon führte die Burgherrin ihren Gast, ihren Verwalter und den Hauptmann der Burgwehr durch einen ebenfalls völlig verwaisten Rittersaal. Saubere, nach Kräutern duftende Strohmatten bedeckten den Boden und dämpften die Schritte. Um die Eintretenden herum strichen Jagdhunde, die ebenso grimmig und argwöhnisch wirkten wie die Soldaten im Burghof. Einer der Vierbeiner begann sogar zu knurren, doch ein knapper Befehl der Lady ließ ihn sofort verstummen.
Endlich erblickte Bayard den ersten Dienstboten. Eine junge, sommersprossige Magd mit roten Haaren lugte um die Tür, die in die Küche führte. Als die Küchenmagd merkte, dass sie entdeckt war, zuckte sie sofort zurück. Möglich, dass sie nur schüchtern war, doch allmählich gewann er den Eindruck, dass der Haushalt der Lady Gillian nicht eben ein Hort des Frohsinns war.
Am gegenüberliegenden Ende des Saals ging es um eine Stellwand herum, hinter dem sich eine weitere Tür verbarg, und dann eine Stiege hinauf zu einem schmalen, überdachten Holzsteg. Dieser verband den Burgsaal mit dem Wohnturm und verlief gut fünfzehn Fuß über dem Boden.
Im Verteidigungsfall brauchte man diesen Quergang bloß in Brand zu stecken – schon war der Eingang zum Bergfried unangreifbar und nur noch über Leitern zu erreichen, vorausgesetzt, etwaige Angreifer waren gewillt, sich siedend heißen Wassergüssen oder einem Hagel aus Pfeilen und Steinen auszusetzen. Wenn sich im Inneren des Wohnturms auch noch eine unterirdische Zisterne und ausreichend Proviant befanden, konnte man einer Belagerung wochenlang standhalten.
Die Burgdame schloss die Außentür auf und bat die Herren einzutreten.
Im Inneren angelangt, ließ Bayard den Blick über die rohen, grauen Seitenwände schweifen. Eine Wendeltreppe wand sich an der Wand entlang hinauf zum Obergeschoss, derweil weitere Stufen nach unten führten, vermutlich hinunter zu den Vorratskellern und Kerkerzellen.
In einem solchen Verlies hatte der Duc d’Ormond auch Armand gefangen gehalten. Bayard war währenddessen eher wie ein Gast als wie ein Gefangener behandelt worden.
Die Kammer im Obergeschoss, in die Lady Gillian die drei Männer nun bat, war im Grunde gar keine Kemenate. Weder stand dort ein Bett, noch deutete sonst irgendetwas darauf hin, dass es sich um ein Privatgemach handelte. Aufgrund seiner Entfernung vom Rest der Feste hatte man dieses Zimmer in eine Schreibstube umgestaltet, in der die Rechnungsunterlagen und die Burgschatulle untergebracht waren. Davon zeugte die schwere, mit Eisenbändern und einem Vorhängeschloss gesicherte Holztruhe in der Ecke.
Sonnenstrahlen fielen durch ein Bogenfenster auf einen Tisch, an dessen rechtem Rand ein Kerzenhalter mit einem Kerzenstummel darin stand. Splitter von einem Gänsekiel lagen noch verstreut umher, als habe jemand in aller Hast aufgeräumt. Neben dem Tisch stand ein gepolsterter Sessel – einziges Zugeständnis an eine behagliche, persönliche Note. Gegenüber der Tür befand sich ein Schrank, wie man ihn zur Aufbewahrung von Niederschriften über erbrachten Zehnten sowie andere Schriftrollen benutzte.
Bayard griff in seinen Gürtel und zog den Brief hervor, den Armand seiner Obhut anvertraut hatte.
Ohne sich ihre Anspannung anmerken zu lassen, nahm Gillian das zusammengerollte Pergament entgegen und trat damit ans Fenster. Zwar vertraute sie Dunstan und Iain, doch hatte sie die Befürchtung, bei dieser Nähe könnten ihr die Männer womöglich am Gesicht ansehen, was in ihr vorging.
Innerlich gewappnet und auf das Schlimmste gefasst, brach sie das blaue Wachssiegel und begann zu lesen.
Adelaide hoffte, dass es Gillian und allen auf Averette ebenso gut ging wie ihr. Ja, sie sei sehr glücklich, so schrieb sie, aber das werde sie später noch genauer erklären. Zuerst müsse sie Gillian warnen.
Wie Gillian, die nun die Zeilen schneller überflog, dem Brief entnehmen konnte, hatte ihre Schwester mitgeholfen, ein Komplott gegen den König
Weitere Kostenlose Bücher