Hill, Susan
und hatte sich ausgeruht und etwas benommen gefühlt. Das Erlebnis war ihr seltsam fern vorgekommen, und erst später am Tag hatte sie sich hinsetzen, alles sorgfältig durchdenken und sich eine Meinung dazu bilden können. Während sie das tat, war ihr immer unbehaglicher geworden. Cat war mitten in der Sprechstunde gewesen, als Karin sie angerufen hatte.
»Komm morgen zum Tee zu mir nach Hause, dann können wir reden.«
»Beweg dich, du fauler Peanuts, beweg dich.« Hannah hob ihre Beine, bis sie fast waagrecht vom Körper abstanden, und hieb sie dem Pony in die Flanken. Diesmal hatte es den gewünschten Effekt. Cat und Karin mussten rennen, um mit dem Pony Schritt zu halten, und Cat wurde fast die Longe aus der Hand gerissen. Als sie das Gatter erreichten, ließ Cat die Longe los und rutschte auf dem Hintern durch den Matsch. Hannah blieb im Sattel sitzen, die Wangen gerötet, die Augen blitzend wie Sterne, lachte und lachte.
Der Vorfall versetzte alle drei in eine ausgelassene Stimmung, von der sie sich auch eine halbe Stunde später noch nicht erholt hatten. Hannah sah sich das Kinderprogramm im Fernsehen an, und Cat und Karin saßen gemütlich in der Küche.
»Das vermisse ich wirklich«, sagte Karin. »All diese Sachen wie Ponys und Blue Peter und Schulranzen und Pausenbrot. Und sag mir nicht, ich wüsste nicht, wie glücklich ich mich schätzen kann.«
Cat goss ihnen Tee ein. »Nein, und ich werde dir auch nicht sagen, Mutterschaft sei die Hölle, weil diese Hölle nur das Fegefeuer ist und auch viele himmlische Seiten hat. Wenn ich mehr Mitgefühl für eine Patientengruppe habe als für eine andere, dann für die Frauen, die keine Kinder bekommen können.« Sie schaute zu Karin. »Und diejenigen, bei denen es möglich gewesen wäre, die sich aber zu spät dazu entschlossen haben.«
»So, wie die Dinge jetzt stehen, wäre es für jedes Kind, das ich hätte bekommen können, ziemlich schwierig gewesen.«
»Das stimmt. Also gut, spuck’s aus.«
Karin schwieg einen Moment, sammelte ihre Gedanken. Die Katze sprang aufs Sofa und rollte sich neben ihr zusammen.
»Es ist besorgniserregend. Ich glaube wirklich, dass man ihm Einhalt gebieten sollte.«
»Was ist passiert?«
Karin erzählte es ihr so detailliert, wie es ihr möglich war, zitierte alles, was er ihrer Erinnerung nach gesagt hatte, beschrieb, was er getan hatte. Cat hörte zu, ohne sie zu unterbrechen, trank ihren Tee, runzelte gelegentlich die Brauen. Aus dem Fernseher im anderen Zimmer drang der Klang einer Band, die »Morning has broken« spielte. Draußen bogen sich die Buchen am Ende des Gartens im Wind. Als Karin ihren Bericht beendet hatte, schwieg Cat, stand auf, um den Kessel neu zu füllen und nach Hannah zu sehen.
Karin wartete. Sie beneidete Cat nicht nur um deren Kinder, sondern auch um etwas Undefinierbares, das mit dem Haus und Cats Familienleben zu tun hatte, eine Wärme und ein Glück, zusammen mit einem Vertrauen in die Zukunft, das jeder Besucher zu spüren bekam. Und auch wenn sie Cat oft genug weiß vor Erschöpfung am Ende eines anstrengenden Tages oder voller Besorgnis wegen eines Patienten erlebt hatte, während gleichzeitig eines der Kinder krank war oder es Probleme in der Schule gab, nahm Karin doch jedes Mal, wenn sie von hier fortging, von der Atmosphäre dieses Hauses etwas mit, das ihr gut tat und sie erfrischte. Seit ihrem Berufswechsel und der Befriedigung, die ihre neue Tätigkeit ihr verschaffte, erlebte auch sie eine tiefe Zufriedenheit in ihrem Leben, die manchmal das Fehlen eigener Kinder fast wettmachte. Alles war endlich an seinen Platz gefallen. Sie hatte sich geschworen, wegen der Krebserkrankung niemals »Das ist nicht fair« oder »Warum ich, warum jetzt?« zu sagen, ja, es nicht einmal zu denken.
Cat kam zurück und stellte Hannahs Teller und Becher auf das Abtropfbrett.
»Gut, ich hab’s verdaut. Ich bin entsetzt. Dieser Mann ist gefährlich, da hast du Recht, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er irgendwelchen körperlichen Schaden anrichtet, und es hört sich so an, als hätte er bewusst vermieden, von dir zu verlangen, dich auszuziehen oder dich auf irgendeine Weise oder an Stellen zu berühren, die man als sexuelle Belästigung auslegen könnte. Dessen bist du dir ganz sicher? Denn wenn er das getan hat, haben wir ihn. Ich kann sofort zum Hörer greifen und meinen Bruder anrufen.«
Karin schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich natürlich am meisten geachtet, sobald ich den Behandlungsraum
Weitere Kostenlose Bücher