Hill, Susan
betrat. Er war sehr, sehr vorsichtig.«
»Natürlich ist er das bei einer Frau, die offensichtlich wachsam und intelligent ist. Aber verhält er sich genauso einwandfrei bei einem jungen Mädchen oder gar einem Kind … behandelt er auch Kinder?«
»Weiß ich nicht. Im Wartezimmer waren nur ältere Leute.«
»Das Bösartige ist natürlich die Täuschung … und die Tatsache, dass er mit seiner Pantomime Menschen falsche Hoffnungen macht. Er wird zumindest manche auch davon überzeugen, dass sie geheilt sind und keine vernünftige medizinische Behandlung brauchen, was das Schlimmste daran ist.«
»Ich fand es ziemlich beängstigend.«
»Das glaube ich dir gern. Großer Gott, stell dir vor, du wärst alt und gebrechlich und würdest tatsächlich glauben, dass er dich aufgeschnitten und Teile aus dir entfernt hat – du könntest glatt vor Schock sterben. Ich frag mich, ob das schon mal passiert ist.«
»Um das zu erfahren, musst du rausfinden, woher er kommt, wo er vorher gearbeitet hat.«
»Ich werde ein bisschen nachforschen, sobald ich eine Minute Zeit dazu habe.«
»Dabei kann ich dir helfen. Ich surfe mal im Internet, und ich habe einen Freund bei der Sunday Times , den ich anrufen kann. Die sind sehr gut darin, die unappetitliche Vergangenheit von Leuten auszugraben. Vielleicht bringen sie sogar eine Hintergrundgeschichte.«
»Gute Idee. Wir haben demnächst ein Treffen dieses neuen Komitees aus Ärzten und Komplementärtherapeuten. Da werde ich davon berichten. Das Problem ist nur, dass das alles Zeit braucht. Und ich habe heute Nacht Bereitschaftsdienst. Das ist eine Sache, die ich mit Freuden aufgeben würde, und doch lernt man dabei seine Patienten oft am besten kennen – wenn’s morgens um vier ernst wird.«
»Du bist eine Heilige. Ich hoffe, Sie wissen das, Dr. Deerborn.«
»Nein. Bei dir habe ich keinen Erfolg gehabt.«
Aus dem Fernsehzimmer kündete eine Hornpipe das Ende von Blue Peter an.
Karin stand auf. »Danke für den Tee. Ich überlasse dich jetzt deiner Tochter.«
Cat verzog das Gesicht.
Draußen pfiff der Wind durch den Garten, riss Karin die Autotür aus der Hand. Sie schaute zurück zu dem erleuchteten Küchenfenster und sah, wie Cat Hannah auf die Arbeitsplatte neben der Spüle hob; beide lachten. Ja, dachte sie. Kinder. Aber sofort hatte sie sich wieder im Griff. »Kein Gejammer.« Selbstmitleid und Unzufriedenheit waren schlecht für die Gemütsverfassung, und sie war entschlossen, positiv, optimistisch und dankbar zu bleiben.
Als sie zu Hause ankam, klingelte ihr Handy.
»Cat hier. Ich werde mir den Kerl selbst anschauen. Kannst du mir seine Telefonnummer per SMS schicken?«
»Was ist, wenn er spitzkriegt, dass du Ärztin bist?«
»Wird er nicht. Und wenn doch, was soll’s?«
»Kann sein, dass du einige Zeit warten musst, er behauptet, vollkommen ausgebucht zu sein.«
»Das gibt uns beiden Gelegenheit, ein bisschen tiefer zu graben. Ich will jede kleinste Einzelheit über unseren Psychochirurgen wissen, bevor ich zu ihm gehe.«
Als Cat ihren Bruder anrief, war es fast Mitternacht.
»Ich dachte mir, dass du noch nicht im Bett bist.«
»Bin erst vor einer halben Stunde nach Hause gekommen.«
»Und ich habe Bereitschaftsdienst, da lohnt es sich nie, früh zu Bett zu gehen – oder überhaupt, wenn man es recht bedenkt. Si, habt ihr irgendwas in Starly laufen … offiziell?«
»Gewissermaßen. Wir haben neulich eine Haus-zu-Haus-Befragung durchgeführt wegen des vermissten Mädchens. Debbie Parker. Kam aber nichts bei raus.«
»Ja, ich weiß, dass sie da bei einem Therapeuten war. Sie war Patientin bei mir.«
»Ist … Ich möchte optimistisch bleiben.«
»Sind eure Leute da auf einen Kerl gestoßen, der sich als Psychochirurg bezeichnet?«
»Als was?«
Sie wiederholte Karins Geschichte.
»Der ist mir neu. Ich kann nachprüfen, ob unsere Leute bei ihm waren. Sie müssen in dem Haus gewesen sein, sie waren überall. Aber ich habe keinen Bericht darüber vorliegen, dass Debbie Parker bei ihm war. Sie bevorzugte einen Typen in blauer Robe, der sich Dava nennt.«
»Sie hat mir von Dava erzählt. Hör zu, Si, dieser Dr. Groatman oder Anthony Orford oder wie immer sein richtiger Name lautet – der ist gefährlich. Aus verschiedenen Gründen muss ihm das Handwerk gelegt werden.«
»Es war richtig, Karin zu fragen, ob man ihm sexuelle Belästigung zur Last legen könnte, aber es klingt nicht so, als träfe das zu.«
»Kannst du ihn nicht für etwas
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