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Hill, Susan

Hill, Susan

Titel: Hill, Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Menschen dunkles Sehnen: Kriminalroman (German Edition)
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und die minuziösen Unterschiede zwischen ihnen.
    Bald würde es vorbei sein. Er würde das, was er sich vorgenommen hatte, vollendet haben. Mehr waren nicht nötig. Als ihm das klar wurde, erkannte er, dass er nicht zwanghaft war, sondern süchtig. Selbst bei dem Gedanken, es für immer entbehren zu müssen, selbst bei Ausdrücken wie »das Ende« und »das letzte Mal« und »nie wieder« brach ihm der Schweiß aus und lief ihm kalt und unangenehm über den Rücken. Er hatte aufstehen und im Raum auf und ab gehen müssen, dann hinaus auf die Straße, bevor er sich einigermaßen beruhigte.
    Wie konnte es je vorbei sein? Er hätte nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Wenn es keine Arbeit mehr zu tun gab, dann musste es einen anderen Grund geben weiterzumachen, und er musste weitermachen. Er brauchte den Kick. Er brauchte ihn, um leben und funktionieren zu können, um nicht verrückt zu werden, um die Kontrolle zu behalten.
    Er wagte nicht, den Kleinbus zu nehmen, und konnte nicht in seinem Auto fahren. Zu viele Leute kannten es, kannten ihn und würden ihm vielleicht freundlich zuwinken. Er musste zu Fuß gehen, und das am späten Abend; tagsüber würde er zu sehr auffallen. Die Leute mieden den Hügel jetzt. Er wusste, dass er ihn auch meiden sollte, denn dort hinzugehen würde bedeuten, alle Regeln zu brechen. Er war in der Lage gewesen, seine Arbeit fortzusetzen, eben weil er diese Regeln kannte und sich immer daran hielt. Er wusste, dass die meisten erwischt wurden, weil sie die Regeln gebrochen hatten, und das hatten sie getan, weil sie überheblich und sorglos geworden waren und weil sie dumm waren. Aber er war schlau, er hatte einen geschulten Verstand, er war systematisch in allem, was er tat, er hatte nie aus einem Impuls heraus gehandelt, immer alles überprüft und noch einmal überprüft. Warum war er dann so verzweifelt, dass er bereit war, jetzt ein Risiko einzugehen? Er spürte, wie sich das Verlangen in ihm aufbaute, und begriff, dass nur das Macht über ihn hatte. Er musste es ignorieren, musste es unter Kontrolle halten.
    Stundenlang dachte er an den Hügel. Mehrere Nächte lang lag er wach, ließ jedes Mal, wenn er dort gewesen war, um »zu arbeiten«, wie er es nannte, erneut vor seinem inneren Auge ablaufen.
    Er hatte den Hügel lieb gewonnen, wegen des Gefühls uralter Geschichte, wegen der tief in die Vergangenheit reichenden Wurzeln, der Wernsteine, um die sich seit so vielen Jahrhunderten der Aberglaube rankte. Er liebte die Stille und die verschiedenen Geräusche, die der Wind dort machte, je nachdem, aus welcher Richtung er blies. Er liebte die Art, in der die Bodenfalten und Vorsprünge und hervortretenden Steine gestaltet waren, und das Gebüsch und das Unterholz und die Kronen der Eichen. Er liebte die Kaninchen und die Kaninchenlöcher. Er hatte den Hügel aus praktischen Erwägungen gewählt und liebte ihn jetzt aus sentimentalen Gründen.
    Um sich zu beruhigen, fuhr er in das Gewerbegebiet. Es war nach neunzehn Uhr. Kein Mensch war mehr da, alles war verschlossen und lag in Dunkelheit. Er schloss die Seitentür auf und schlüpfte in das kühle, stille Gebäude. Wie erstaunt sie alle sein würden, wenn sie entdeckten, was er hier erreicht hatte; den Männern, die ihn hinausgeworfen und vernichtet hatten, war er sicher keinen zweiten Gedanken wert gewesen, nachdem er das Medizinstudium abgebrochen hatte, aber sie hatten jemanden verloren, der ihnen Ehre gemacht hätte. Warum hatten sie das nie begriffen? Wenn man ihm erlaubt hätte, weiterzumachen und seinen gewählten Weg zu verfolgen, könnte er inzwischen an der Spitze seines Berufszweigs stehen, und sie hätten es sich zugute halten können, ihn ausgebildet zu haben. Jetzt durfte er sich das alles allein anrechnen.
    Er knipste die bläulichen Neonröhren an und blieb einen Moment lang stehen, lauschte auf die Stille der Toten. Dann ging er durch die Tür hinten in der Betonwand und betrat das Herz seines Reiches. Es war klein, nur die hintere Hälfte einer Garage, aber alles, auf das es ankam, war da. Er zögerte, ließ die Hand über einem Schubladengriff schweben, bevor er sie zum nächsten bewegte, schließlich entschied er sich für die zweite von rechts. Er überprüfte die Stromzufuhr, die Thermometer und Anzeigen, wie er es täglich tat. Er war akribisch. Etwas anderes konnte er sich nicht erlauben.
    Er zog die Schublade auf.
    Angela Randall lag mit dem Gesicht zu ihm, als die Schublade auf geräuschlosen Rollen

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