Hill, Susan
aufglitt. Er blickte in ihr weißes Marmorgesicht. Angela Randall. Ihre Besessenheit von ihm war anfänglich schmeichelhaft gewesen, und als die Geschenke einzutreffen begannen, hatte er sich gefreut. Niemand hatte je zuvor Leidenschaft für ihn empfunden, das hatte er nie zugelassen. Aber nach einiger Zeit wurden die Briefe, die so mitleiderregend nach Verzweiflung rochen, die Geschenke, die Einladungen, das Flehen lästig. Am Ende hatte er sie verachtet. Nicht dass sie aus diesem Grunde hier war; er hatte nie zugelassen, bei der Arbeit von Emotionen beeinflusst zu werden. Sie war hier, weil sie das richtige Alter, Geschlecht und die richtige Größe für seine Forschungen hatte und weil sie so leicht auf dem Hügel aufzuspüren gewesen war.
Er zog die Schublade ganz heraus und betrachtete sein Werk. Er fand, dass er bei Angela Randall bessere Arbeit geleistet hatte als bei den anderen, präzise, gleichmäßig, sauber. Alles war entfernt worden, untersucht, seziert, gewogen, aufgezeichnet, bevor es wieder zurückgelegt wurde. Er kannte ihre Körperteile ebenso gut wie seinen eigenen Handrücken, hatte sie genauso sorgfältig untersucht. Jetzt war sie instand gesetzt, die Nähte bleich und schimmernd zwischen den chirurgischen Stichen.
Er fragte sich, was sie ihm wohl als Nächstes geschenkt hätte.
Bevor er die Stromzufuhr und die Thermometer erneut überprüfte, das Licht ausschaltete und die Vorhängeschlösser an jeder Tür verschloss, hatte er einige Zeit damit verbracht, sie alle noch einmal zu betrachten. Er war ein wenig unzufrieden mit seiner Arbeit an dem jungen Mann, der so fit gewesen war, so schlank und muskulös, und überlegte, ob er das Ganze wiederholen sollte. Aber es war ihm äußerst schwer gefallen, ihn zu überwältigen, der Junge hatte sich gewehrt, war sehr stark gewesen. Nicht so wie die arme, dicke Debbie.
Drei Schubladen waren noch leer. Eine hatte noch kein Namensschild. Die anderen waren für die beiden Älteren bestimmt, für Proteus und Anna. Aber wenn es auf dem Hügel so weiterging wie jetzt, würde es einige Zeit dauern, bis er sie hier willkommen heißen konnte. Er ging durch den Innenraum und dann durch den äußeren, lief auf und ab, frustriert, ungeduldig. Er geriet nicht in Wut, das tat er nie. In Wut zu geraten, selbst über geringfügige, alltägliche Dinge, war gefährlich. Er wäre mit seiner Arbeit nicht so weit gekommen, wenn er auch nur in der geringsten Weise zu Wutanfällen geneigt hätte. Aber er spürte, dass ein Kanal eingedämmt werden musste. Er hatte diese Verzögerung nicht verursacht, und sie gehörte nicht zu seinem Plan. Doch es war sicherlich eine Schwäche von ihm, nicht mit dem Unvorhergesehenen gerechnet zu haben, denn das gehörte nun einmal zum Leben, und er musste sich in erster Linie mit dem Leben auseinander setzen.
Er stapfte um das Gebäude herum, bis er seine Gefühle unter Kontrolle hatte, dann fuhr er nach Hause, um seine Pläne zu überarbeiten.
32
D ie schwache Nachmittagssonne verbreitete keine Wärme, tauchte aber die umliegenden Felder in ein schönes Licht. Karin und Cat gingen um die Koppel, gegen den scharfen Ostwind, der durch ihre dicken Pullover, Fleecewesten und angeblich wetterfesten Jacken drang. Hannah Deerborn saß auf ihrem rundlichen Pony Peanuts; beiden schien die Kälte nichts auszumachen. Sie war dreimal im Kreis geführt worden, und als sie das Gatter erreichten, sagte Cat: »Okay, das ist das letzte Mal jetzt, und ich meine es ernst. Karin und ich haben keine Hände und kein Gesicht mehr.«
»Red doch nicht solchen Quatsch.«
»Trotzdem, jetzt ist es genug, Hanny. Karin, gib Peanuts einen Klaps aufs Hinterteil, damit er sich bewegt.«
Schwungvolle Bewegungen gehörten nicht zum Repertoire des Ponys, und auf Karins Klapse reagiert es nur mit Verachtung.
Karin war vorbeigekommen, um Cat von ihrem Besuch in Starly zu erzählen, doch bei ihrer Ankunft hatte Cat gerade ihre Tochter und das Pony zum Reiten fertig gemacht.
»Keine Schule?«
»Fortbildungstag. Heute Morgen war Mum hier. Ich hatte ihr versprochen, um halb zwei zurück zu sein, aber natürlich wurde es fünf vor drei. Doch sie kennt das ja. Sie hat gesagt, sie hätte mich nicht vor vier erwartet.«
Sie waren in den Wind hinausgegangen, nachdem sich Karin einen Pullover und eine Jacke geborgt hatte, aber es war schwierig, hier draußen zu reden.
Karin war aus dem tiefen Schlaf, in den sie nach dem Besuch bei dem Psychochirurgen gefallen war, aufgewacht
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